Jakob Augstein und Herfried Münkler haben sich unlängst unter anderem darüber ausgetauscht, ob ein Verbot der AfD beantragt werden sollte (der Freitag 18/24 vom 2. Mai).
Münkler meinte dazu vorab, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe das Schwert des Parteiverbots durch die Ablehnung des Verbots der NPD vor einigen Jahren stumpf gemacht. Mit der Begründung, die NPD sei zu bedeutungslos, habe es das Verbot „unter den Vorbehalt eines utilitaristischen Nützlichkeitsaspektes gestellt“.
Augstein fügte hinzu: „Bei der AfD ist es andersherum: Sie ist zu groß für ein Verbot.“ Münkler darauf: „So ist es. Noch wichtiger ist, dass es zu spät dafür ist. Das Verfahren würde mindestens vier, fünf, sechs Jahre dauern. Und in dieser Zeit könnte sich die AfD als Opfer eines Agierens der Eliten inszenieren, die dem Volk das Maul verbieten will. Ich schlage einen anderen Weg vor: Die anderen Parteien müssen, solange Höcke und seine Leute keine absolute Mehrheit haben, klarmachen: Jede Stimme für die AfD ist eine verlorene Stimme, weil wir nicht mit denen koalieren.“
Es ist erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit hier ein Journalist/Verleger (Augstein) und ein Politikwissenschaftler (Münkler) Rechtsfragen beurteilen zu können glauben, deren Beantwortung sich selbst für zweifach examinierte und zudem einschlägig spezialisierte Juristen erst nach eingehender Einarbeitung erschließt.
Man mag das NPD-Urteil kritisieren, zumal sich das BVerfG mit dieser Entscheidung einen schlanken Fuß gemacht hat. Dennoch ist die Waffe des Parteiverbots auch nach Auffassung des Gerichts unverändert scharf, wenn eine Partei – wie fraglos die AfD – eben nicht unbedeutend ist. Und nichts spricht dafür, sie sei inzwischen zu groß für ein Verbotsverfahren. Gleiches gilt für die zu erwartende Verfahrensdauer, die durchaus nicht bis zu 6 Jahre betragen muss.
Als Opfer „Eliten“ schließlich präsentiert sich die AfD ohnehin seit geraumer Zeit – eine Rolle, die sie nur erfolgreich übernehmen konnte und weiter spielen kann, weil und solange der politische Arm dieser „Eliten“ seine Aufgabe, für das Wohlergehen des gesamten Volkes und nicht nur der Reichen zu sorgen, chronisch sträflich vernachlässigt.
Der Vorschlag Münklers schließlich ist unzureichend, da die AfD auch dann, wenn niemand mit ihr koaliert, in parlamentarischen Ausschüssen, Gerichten und Behörden erheblichen Einfluss gewinnen und demokratische Politiker und sonstige Amtsträger weiter einschüchtern wird.
Der Versuch, ein Verbot der AfD herbeizuführen, ist längst überfällig, nachdem diese Partei und ihre Handlanger erkennbar eine Diktatur an die Stelle unserer Demokratie setzen wollen und die von der AfD befeuerte Gewalt – nach dem Vorbild der SA – immer brutaler wird. Aber nichts regt sich bei den potentiellen Antragstellern. Es ist ein Skandal, der umso törichter ist, als dieser Zweig der „Eliten“ als Erster unter einer Machtübernahme der extremen Rechten leiden wird. Deutschlands Politiker sind schlaff geworden. Ein bisher zu wenig erörterter Grund für den Untergang von Staaten (siehe „Kollaps“ vom 13. Januar 24) liegt sichtlich in der abnehmenden Kampfkraft allzu lang Verwöhnter.