Das inzwischen von der SPD vorgestellte, gegenüber den früheren Ankündigungen des Olaf Scholz erweiterte Wahlprogramm ist in Sachen soziale Gerechtigkeit noch immer vollkommen unzureichend.
Von dem geforderten, angeblich respektvollen Mindest-Stundenlohn in Höhe von nur 12 Euro kann niemand würdig leben, erst recht nicht in den Städten mit ihren hohen Mieten. Und die Ankündigung „Wir werden eine Einkommensteuerreform vornehmen, die kleine und mittlere Einkommen besser stellt, die Kaufkraft stärkt und dafür im Gegenzug die oberen fünf Prozent stärker für die Finanzierung der wichtigen öffentlichen Aufgaben heranzieht“ bleibt sicher nicht zufällig im Ungefähren. Die ehemalige Volkspartei, die ach so gerne wieder eine wäre, hat nicht einmal die Courage, insoweit eindeutig zu werden.
Überdies fehlt in dem Programm unverändert Wesentliches:
Dies gilt etwa für die Korrektur der skandalös niedrigen Besteuerung von Dividenden, die bekanntlich fast ausschließlich von den genannten oberen 5 Prozent bezogen werden. Gleiches gilt für eine Senkung der Sozialabgaben auf niedrige Einkommen und der wieder eingeführten hohen Mehrwertsteuer, die vor allem wenig Begüterte trifft. Diese Maßnahmen wären umso wichtiger, als die Preissteigerungen bei lebensnotwendigen Gütern die amtlich festgestellte Inflationsrate deutlich übersteigen. Auch fehlt eine drastische Anhebung der (zumindest aus Gewinnen zu zahlenden) Erbschaftssteuern für Unternehmenserben und eine hohe Besteuerung der Wohnsitzverlegung in Niedrigsteuerländer wie sogar von den USA praktiziert. Kein Wort verliert das Wahlprogramm offenbar auch über eine effektive nationale Besteuerung der in Deutschland erwirtschafteten Gewinne der globalen Giganten Amazon, Apple, Google, Facebook und Microsoft und eine nationale, in Frankreich seit Jahren erhobene Finanztransaktionssteuer. Nichts anderes gilt für den längst überfälligen Kampf gegen Niedrigsteuerländer der EU wie Luxemburg, Irland, Malta, die Niederlande und die Einstellung der staatlichen Finanzspritzen für Unternehmen, die ihre Gewinne teilweise in solche Länder verlagern oder gleichzeitig Dividenden ausschütten, wie soeben etwa von Daimler – nach Senkung der Löhne und Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld – praktiziert.
All dies vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die bereits zuvor absurde, die Demokratie gefährdende finanzielle Ungleichheit als Folge der Pandemie noch erheblich zugenommen hat! Dieses allzu wenig ambitionierte Programm beschleunigt nur das Ende der ehemaligen Volkspartei SPD.