Nun ist er doch noch zurückgetreten. Als Rücktrittsgrund gab Christian Wulff lediglich an, das Land brauche einen Präsidenten, der vom Vertrauen einer breiten Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger getragen sei. Die Entwicklung der vergangenen Tage habe jedoch gezeigt, dass dieses Vertrauen und damit seine Wirkungsmöglichkeiten nachhaltig beeinträchtigt seien. Er fügte hinzu, die (also alle!) Berichterstattungen hätten seine Frau und ihn verletzt. Zwar räumte er ein, Fehler gemacht zu haben, nahm für sich aber zugleich in Anspruch, immer aufrichtig gewesen zu sein und sich in seinen Ämtern stets rechtlich korrekt verhalten zu haben. Er gab sich davon überzeugt, dass die rechtliche Prüfung seines Verhaltens ihn vollständig entlasten werde. Und obwohl sein Rücktritt bereits vor Wochen überfällig war, meinte er, das Amt für seinen Nachfolger „zügig“ freizumachen.
Zwar mag es sein, dass der Wortlaut dieser Rücktrittserklärung immerhin halbwegs den Weg zum lebenslangen „Ehrensold“ ebnen sollte. Dennoch oder gerade deswegen ist bedauernd festzustellen, dass Christian Wulff auch im Rücktritt nicht an Statur gewann. Kein Wort des Bedauerns darüber fiel, dass er das Ansehen des Bundespräsidenten beschädigt hat – durch sein wenig akzeptables Verhalten als Ministerpräsident, vor allem aber durch sein unaufrichtiges, uneinsichtiges und selbstmitleidiges Taktieren seit dem Beginn der sukzessiven Aufdeckung seiner früheren Verfehlungen, ob sie nun rechtlich unzulässig oder gar strafbar waren oder nicht. Eine geradezu Guttenberg´sche Selbstgerechtigkeit erhob da nochmals ihr Haupt. Da reimt sich unwillkürlich: Wer so etwas nicht besser kann, ist nur ein Männchen und kein Mann.
Offenbar sind in der Nachkriegsgeneration einige Politiker herangewachsen, die sich im bloßen Schein einer von Älteren erarbeiteten Vertrauenswürdigkeit sonnen, und die allenfalls beleidigt reagieren können, wenn dieser Schein zerbröselt und das Publikum ent-täuscht reagiert.
Vor der Wahl Wulffs bemerkte Siegmar Gabriel, Joachim Gauck habe ein Leben vorzuweisen, Wulff nur eine politische Karriere. Gabriel wurde seinerzeit dafür gescholten, im politischen Betrieb ist die Wahrheit eben selten willkommen. Wer würde Gabriel heute noch widersprechen? Joachim Gauck wäre unverändert eine gute Wahl, vor allem, wenn er mehr Abstand von seiner Fixierung auf Freiheitswerte finden und mehr als bisher erkennen würde, wohin die Freiheit im Gewand des egomanischen Neoliberalismus die Welt führt. Aber er wird wohl wieder nicht Präsident werden, da Angela Merkel damit nochmals den Fehler beleuchten würde, den sie seinerzeit mit der Durchsetzung Wulffs beging. Allerdings könnte die Kanzlerin uns ja auch mal positiv überraschen und über ihren Schatten springen……