Es ist traurig, wie die Linke sich weiter zerlegt, als gebe es im Lande keine absurde soziale Ungleichheit, keine lange überfälligen Korrekturen der Besteuerung der Hochverdiener, Bezieher von Kapitaleinkünften und Unternehmenserben, keine unverändert unterbezahlten Mitarbeiter im Gesundheitssystem, keine Massen sonstiger prekärer Beschäftigungsverhältnisse und keine wachsende Armut bei Erwachsenen jeden Alters, auch Rentnern und Rentnerinnen, sowie bei Kindern – Armut, die durch die Inflation noch verschärft wird, kurz: als brauche das Land keine starke linke Kraft.
Nicht weniger als 18% der Deutschen könnten sich vorstellen, eine linke Partei zu wählen, der zerstrittene Haufen ohne gemeinsames und greifbares innen- und außenpolitisches Profil, den die Linke seit langem präsentiert, erscheint ihnen zu Recht jedoch als nicht mehr wählbar. Im Bundestag ist die Linke nur noch aufgrund einiger gewonnener Direktmandate vertreten, und auch dieses Warnsignal hat bis zum heutigen Tage ebenso wenig produktive Konsequenzen gehabt wie die seitherigen, verheerenden Ergebnisse der Landtagswahlen.
Ob es sich um Maßnahmen gegen die Pandemie, die Abwendung der Klimakatastrophe oder die Reaktion auf den Krieg Wladimir Putins gegen die Ukraine handelt, nichts Einheitliches, geschweige denn Überzeugendes, ist von der Linken unverändert zu hören, stattdessen ertönt vor allem interne Streiterei. Hinzu kommen ihre sattsam bekannten Schwächen, insbesondere die Vorbehalte gegen Rüstung, Einsätze der Bundeswehr im Ausland, NATO – und nun auch gegen deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine.
Die Entwicklung ist umso betrüblicher, als die Partei durchaus noch über gescheite und präsentable Mitglieder wie Gregor Gysi, Sahra Wagenknecht, Bodo Ramelow, Katja Kipping und Dietmar Bartsch verfügt. Janine Wissler gehört demgegenüber eher zur zweiten Reihe.
Es darf bezweifelt werden, dass es der Linken bei ihrem bevorstehenden Parteitag und in der Folgezeit gelingt, Ordnung in ihr programmatisches und personelles Chaos zu bringen. Auch die möglicherweise bevorstehende Parteigründung durch Sahra Wagenknecht verspricht wenig Gutes, nachdem sie alles andere als ein teamplayer ist und über zu wenig Rückhalt im linken Biotop verfügt. So ist die Prophezeiung leider nicht gewagt, dass die Linke weiter auf Bedeutungslosigkeit zusteuert und damit eine Lücke hinterlässt, die von niemandem, sicher auch nicht von der SPD, geschlossen werden wird.