Zwei Aktivisten der im Corona-Chaos von der Bildfläche nahezu verschwundenen Bewegung „Fridays For Future“, proben nun den Weg in die Politik: Kathrin Henneberger (34) und Urs Liebau (26) treten für die Grünen an, um ein Bundestagsmandat zu erobern. Beide stehen auf einer Landesliste der Grünen, Henneberger auf Platz 20 in Nordhrein-Westfalen und Liebau auf Platz 2 in Sachsen-Anhalt.
In der Ausgabe 34/2021 vom 26. August veröffentlichte der Freitag ein auf der Titelseite mit „Klimaaktivisten wollen Parlamentarier werden – eine gute Idee?“ angekündigtes Doppelportrait der beiden Aspiranten. Der Frage nach dem Sinn des Vorhabens wurde das Blatt des Jakob Augstein dabei allerdings nicht gerecht, da es nur den Werdegang und unterschiedlichen Grad der Radikalität Hennebergers und Liebaus beleuchtete.
Tatsächlich sind die mit einem Einzug in den Bundestag verbundenen Probleme im Kern andere. Bereits 1977 schrieb Nicolas Born in seinem Beitrag in dem noch immer lesenswerten rororo-Taschenbuch „Briefe zur Verteidigung der Republik“, inmitten der vom RAF-Terror gezielt produzierten rechten Hetze gegen die Linke:
„Politisch sein zu wollen, gar parteipolitisch, das bedeutet für mich (….), dem der Politik immanenten Vernunftbegriff des Machbaren und der angeblichen Sachzwänge zu verfallen, dem Realitätsprinzip. Die Welt in all ihren Unterordnungen wäre dann das Unvermeidliche, das in einen zwanghaften Fortschritt Gezwungene. Die Tendenz läge fest, und alle Qualifizierung und Quantifizierung verlängerte nur das einmal gegebene Einverständnis.“
Dabei erwähnte Born nicht einmal ausdrücklich die jeweiligen Unmengen der zu bearbeitenden Gesetzesvorhaben, in denen der Gestaltungswille von Abgeordneten ebenso zu ersticken droht wie in Partei-, Fraktions- und Koalitionszwängen. Hinzu kommen die üblichen parteiinternen Machtkämpfe und Intrigen und nicht zuletzt die mächtige Versuchung, Überzeugungen auf dem Altar der weiteren Karriereplanung zu opfern, abzulesen etwa an den Wandlungen der zunächst konsequent linken Andrea Nahles und des einstmals sozialistischen Revoluzzers Kevin Kühnert und nachzulesen bei Marco Bülow, „Lobbyland“ (Verlag Das Neue Berlin).
Man darf also auf Erfolg und Dauerhaftigkeit des Wunsches der beiden Grünen, durch den Einzug in den Bundestag endlich etwas zu ändern, wenig gespannt sein, wenn ihr Plan gelingt. Es wundert nicht, dass der weit überdurchschnittlich begabte Fabio De Masi (Die Linke) den Parteivorsitz der Linken nicht übernommen hat und sich für kein Bundestagsmandat mehr bewirbt. Eine außerparlamentarische Opposition, die zwecks Durchsetzung der Vernunft eine Vielzahl von Bürgern aktiviert und die Parteien das Fürchten um Wählerstimmen lehrt, ist angesichts des bedauernswerten Zustands unserer Demokratie eine ernsthafte Alternative zur parlamentarischen Arbeit.