Erwartungsgemäß sind die Ergebnisse der Weltklimakonferenz in Sharm El-Sheikh angesichts der zunehmenden Erderwärmung und der bereits eingetretenen Schäden verheerend. Die Lieferanten und Abnehmer fossiler Energieträger blockierten erneut das zur Rettung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen dringend Erforderliche.
Umso absurder ist der bereits vielfach praktizierte bayerische „Unterbindungsgewahrsam“ zu Lasten der Demonstranten der „Last Generation“, die sich – gegen den fortschreitenden Ruin der Erde protestierend – mit einer bemerkenswerten Zivilcourage auf Verkehrswegen festkleben und Staus verursachen; auf die Idee, gegen die Verantwortlichen für die zahllosen Staus auf deutschen Autobahnen aufgrund hartnäckig unbearbeiteter Baustellen vorzugehen, kommt ja auch niemand.
Nicht minder abwegig ist ihre Einstufung als „Verfassungsfeinde“ bereits deshalb, weil sie pauschal eine Änderung des neoliberal geprägten „Systems“ verlangen. Ein Blick in Artikel 15 des Grundgesetzes sollte den so genannten Verfassungsschützern zeigen, dass dieses weitgehende Eingriffe in das Wüten der „Märkte“ für zulässig erklärt.
Der im neunzehnten Jahrhundert konzipierte Sozialismus war die Antwort auf die Ausbeutung der Arbeiter im Zuge des Liberalismus und der durch die erste technische Revolution modernisierten kapitalistischen Produktion, die – wie von Marx und Engels vorausgesehen – schon frühzeitig begann, global zu agieren.
Der folgende Klassenkampf war auf Soziales begrenzt und hatte klare Kontrahenten – auf der einen Seite die gierigen Inhaber der Produktionsmittel und auf der anderen die Arbeiter mit ihren legitimen Interessen. Den Sieg trugen bekanntlich die Kapitalisten davon, nachdem die sozialistischen Staaten (bis auf Kuba) im zwanzigsten Jahrhundert gescheitert sind und nennenswerte Verteilungskämpfe nirgendwo mehr stattfinden.
Auch der nunmehrige Konflikt um die Bewahrung der Erde als Heimstatt der Spezies Mensch zeigt gewisse Aspekte eines Klassenkampfs, zumal die Überhitzung der Erde, der ruinöse Ressourcenverbrauch und die schwindende ökologische Biodiversität erneut Folge vor allem der beständig wachsenden weltweiten Produktion ist und es wieder die Armen sind, die zuerst unter alledem leiden.
Aber für den von Bruno Latour noch kurz vor seinem Tode erwogenen ökologischen Klassenkampf (Bruno Latour, Nikolaj Schultz, „Zur Entstehung einer ökologischen Klasse“, Edition Suhrkamp, 93 Seiten, 14 Euro) fehlt es doch an einem tragfähigen Konzept und einer genügenden Übereinstimmung sowie Mobilisierung Gleichgesinnter.
Zum einen würde ein substantieller Umschwung im Kern die Haltung Indigener verlangen, die, wie Latour es formuliert, nicht von der Erde, sondern in ihr leben. Die Folgen für die Weltwirtschaft und den gewohnten westlichen Luxus wären einschneidend. Zum anderen sind die Reaktionen der Menschen auf die drohende und zum Teil bereits eingetretene Katastrophe allzu unterschiedlich. Sie schwanken weithin zwischen „Nach mir die Sintflut“, Verdrängung, Ratlosigkeit und naivem Glauben an eine technische Erlösung vom Übel.
Überdies hat sich der kapitalistische Neoliberalismus mit seinem Credo beständigen Wirtschaftswachstums als äußerst flexibel erwiesen und mittlerweile nahezu sämtliche Lebensbereiche der früh industrialisierten Staaten einschließlich der Schulen und Universitäten durchdrungen, ist also ein übermächtiger Gegner.
Bis zu einem ökologischen Klassenkampf ist daher noch ein allzu weiter Weg, für den die Menschheit schlicht keine Zeit mehr hat. Anstatt sie zu verteufeln, sollten wir also die wenigen preisen, die mit ihren Aktionen gegen den Irrsinn aufbegehren, auch wenn sie einmal bizarr Brei auf verglaste und damit geschützte Bilder werfen.