Ob Söder oder Laschet: Keiner von ihnen steht bei näherem Hinsehen für den längst überfälligen Aufbruch zu weniger Gehorsam der Politik gegenüber den „Märkten“, zu weniger Korruption, zu verbesserten Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten sozial Benachteiligter, zu Natur- und Umweltschutz, insbesondere einer entschlossenen, allerlei schmerzhafte Veränderungen erfordernden Abwendung der drohenden Klimakatastrophe, und – nicht zuletzt – zu einer Wiederbelebung des gesellschaftlichen Miteinanders durch deutlich mehr soziale Gerechtigkeit.
Markus Söder hat seinen egomanischen Machtkampf erst eingestellt, als er – viel zu spät – erkannte, dass sein Ehrgeiz ihm auf die Füße zu fallen drohte, da er zum Nachteil auch der CSU dabei war, nach Angela Merkels vorzeitigem Verzicht auf den Parteivorsitz und dem Scheitern der Annegret Kramp-Karrenbauer den neuen CDU-Vorsitzenden zu demontieren und die CDU kurz vor den Bundestagswahlen weiter heillos zu spalten; immerhin hatte Söder zuvor noch die unterbliebene Berücksichtigung der CDU-Basis gefordert. Sein Rückzug war nicht mehr als schlichtes Machtkalkül, getrieben auch durch den noblen Umgang des Robert Habeck mit dem ähnlichen Problem. Die dennoch verbleibenden Schäden in der öffentlichen Wahrnehmung der Schwesterparteien sind gewaltig. Söder als „Kandidaten der Herzen“ zu bezeichnen, wie CSU-Generalsekretär Blume es getan hat, bedarf einer erheblich gestörten Sicht der Dinge.
Die Gewinner des Desasters sind denn auch eindeutig die Grünen, die sich für eine konstruktive Bewältigung der drängenden Probleme stark gemacht und einen ganz anderen, kooperativen Politikstil demonstriert haben. Wie die neuesten Umfragen zeigen, liegen sie in der Wählergunst derzeit weit vor der CDU/CSU und drohen, die Union als Volkspartei abzulösen. Auch Annalena Baerbock wird trotz ihrer fehlenden Regierungserfahrung gegenwärtig als Kanzlerkandidatin Armin Laschet (und erst recht Olaf Scholz) vorgezogen. Dies sind zwar nur Momentaufnahmen, aber sie weisen doch in eine Richtung. Daran wird auch das Harmoniestreben des CDU-Vorsitzenden wenig ändern, da er abgesehen davon kaum mehr als das Merkel´sche „weiter so“ repräsentiert. Die Grünen müssten in den nächsten Monaten schon grobe Fehler machen, wenn dieser Trend sich noch umkehren soll; es ist wenig wahrscheinlich, dass sie der CDU/CSU diesen Gefallen tun.
Es war eine Frage der Zeit, bis nach der SPD auch die Union den Sozialdemokraten und Konservativen in anderen europäischen Ländern folgen und sich ins Abseits begeben würde. Nun ist es bald so weit, die CDU und die CSU sind ideologisch allzu festgefahren, und es fehlt ihnen an Wille, Kraft und Personal für das seit geraumer Zeit Notwendige. Die so genannte „Mitte“ ist ein gefährlicher Aufenthaltsort, wenn sie als Hort des politischen Stillstands missverstanden wird. Das Konzept „weniger Staat“ ist ein unausgewogener Irrweg, der Ruf nach dem Staat in den wiederkehrenden Krisen des Kapitalismus und in der Pandemie hat es gezeigt. Und Klimaschutz ohne schmerzhaften ökologischen Um- und Rückbau der Wirtschaft ist nun einmal eine Illusion.