In seiner Rede zum Abschluss des Wahlparteitages der Republikaner hat John McCain das establishment in Washington attackiert und vorgetragen, dieses denke zuerst an sich und dann an das Land. Und prompt hat auch der Kandidat McCain einen grundlegenden Wandel der US-Politik angekündigt. Wer da erwartete, die Zuhörer würden müde abwinken – immerhin gehört McCain selbst seit 26 Jahren dem Kongress und damit dem von ihm kritisierten establishment an – der irrte gründlich: Jubel brandete auf! Da war es wieder: Yes, we can!
Das unwürdige Spiel wiederholt sich mit großer Regelmäßigkeit: Vor jeder Präsidentenwahl versprechen die Kandidaten, die USA neu zu erfinden – und die dort verbreitete, nahezu grenzenlose Naivität kauft das immer wieder begeistert, obwohl sich nach jeder Wahl herausstellt, dass man doch wieder einmal nicht kann.
Anlass zu Hochmut sollte dies für uns allerdings nicht sein. Auch in Deutschland denkt die politische Kaste zuerst an sich selbst und zuletzt an das Land, zwischendurch allenfalls noch kurz an die Partei, der sie Macht & Pfründe verdankt. Wir reagieren darauf zwar nicht wie die Amerikaner mit dem kindischen Glauben, nach der nächsten Wahl werde alles anders. Aber wir nehmen das unverantwortliche Treiben der Gewählten resignierend, hin, ohne dagegen aufzustehen; des Deutschen Fähigkeit zum Widerstand erschöpft sich seit Jahrzehnten in der Weigerung, an Wahlen teilzunehmen.
Unsinnig ist der naive Glaube an den Heilsbringer ebenso wie die Resignation. Aber die Amerikaner sind in ihrer Verwirrung wenigstens gut gelaunt.