Ist der Gipfel der Finanzkrise bereits überschritten, und haben wir einfachen Tölpel die Talsohle der Gefahr bereits hinter uns? Dürfen wir, nachdem die Krater in der Spielwiese unfähiger Bankmanager und Aufseher nunmehr mit unseren Steuern gefüllt werden, also nun hoffen, dass unsere Ersparnisse wieder gesichert sind und die ach so großartigen Finanzkapitäne inzwischen begriffen haben, was sie schon in der Volksschule gelernt haben könnten? Dass alles andere als nachhaltig und verantwortungslos handelt, wer zwecks kurzfristiger Ertragsteigerung in Schrott investiert, langfristig zu festen Zinssätzen ausleiht, was kurzfristig refinanziert werden muss, und arglose Kunden systematisch über den Tisch zieht, wie dies bei allerlei Zertifikaten und bei den Zins-Swap-Geschäften der Deutschen Bank AG und der Dresdner Bank geschehen ist?
Sicher nicht. An den Börsen wird bereits wieder gezockt, als sei nichts geschehen, und auch die Ackermann´sche Arroganz macht sich wieder unangenehm bemerkbar. Der Mensch war ja monatelang nicht wiederzuerkennen, wirkte fast sympathisch! Aber das täuschte eben: Die bedenkenlosen Großverdiener pflegen seit jeher, all die zu verachten, die nur wenig zusammenraffen. Dass ihre eigenen, giftigen Blüten nur auf dem Humus der Menschenfreundlichkeit anderer wachsen können, weil kein auf allgemeiner Raffgier aufgebautes Sozialgefüge funktionieren würde, verdrängen diese gesellschaftlichen Trittbrettfahrer dabei nach Kräften. Aber zumindest im Unterbewusstsein spüren sie es; Arroganz weist noch allemal zuverlässig auf Schwächegefühle hin.
Aber sie blüht, wenn auch bei anderen Managern als Ackermann vorerst im Stillen – bis sich der Sturm gelegt hat. Wie nicht anders zu erwarten, ertönt jedoch aus dem Kreis der Pleitegeier schon erstes Murren über die finanziellen Beschränkungen, die ihnen nun auferlegt werden sollen, bevor die Hilfen der Steuerzahler überhaupt in Anspruch genommen sind. Es gehört nicht viel Phantasie zu der Vorstellung, dass diese Schranken als angeblich wirtschaftlich kontraproduktiv und Arbeitsplätze gefährdend schon bald wieder fallen werden, und das Schiff der internationalen Finanzjongleure unbeirrt Kurs auf die nächste Spekulationsblase nehmen wird, die vermutlich eine Rohstoffblase sein wird. Dass auch diese Spekulationen wieder von Anfang an auf dem Rücken der so genannten einfachen Leute ausgetragen werden, versteht sich ohnehin. Irgendwer muss die Milliarden ja zur Verfügung stellen, die von den selbsternannten wenigen Auserwählten verdient werden sollen.
Es ist noch nicht lange her, da wurden die Mitarbeiter der Banken vom Volksmund ehrfürchtig „Bankbeamte“ genannt, und eine „Beraterbank“ hätte diese Bezeichnung noch verdient. Ungeheuer schnell hat die Seuche der Gier vieles von dem dahingerafft, was eine menschenwürdige Gesellschaft braucht wie die Luft zum Atmen – und dabei bedenkenlos Vertrauen ausgebeutet, das zum Glück in weiten Teilen der Bevölkerungen in den modernen Industriestaaten noch heute für das menschliche Miteinander charakteristisch ist.
Derlei Maßstäbe aber kümmern auch unsere Politiker wenig, die sich zurzeit in peinlicher Weise ob ihres Managements der Finanzkrise rühmen, obwohl sie dabei doch nur mit dem Geld der Steuerzahler um sich geworfen haben, und die ihre Aufgaben in ach so vielen anderen Bereichen seit langem chronisch vernachlässigen. Dass die Menschen in Deutschland noch immer brutal von den Oligopolen der Mineralölkonzerne und der sonstigen Energielieferanten (Strom, Erdgas) ausgebeutet werden – es lässt unsere politische Kaste ebenso kalt wie untätig, obwohl sie selbst durch die unsinnigen Privatisierungen gerüttelt Verantwortung dafür trägt. Und sie lernt, wie die bevorstehende Privatisierung auch der Bahn zeigt, buchstäblich nichts dazu. Nichts anders agieren unsere Politiker angesichts der uns bevorstehenden Krisen, der Energiekrise und der Klimakatastrophe, die noch weit schlimmer sein werden als die Finanzkrise. Der Verkündung ehrgeiziger Ziele durch die Politik folgt – unter dem Einfluss der jeweiligen Lobby – kurz darauf unweigerlich der faule Kompromiss.
Durch diese Förderung kurzfristiger Profitgier wurden bereits zahlreiche Innovationen verhindert, die für die deutsche Wirtschaft im globalen Existenzkampf wertvoll gewesen wären. Die deutsche Autoindustrie schrammt daher heute nur knapp an der Katastrophe der amerikanischen vorbei. Auch sie hat sich zugunsten kurzfristiger Profitmaximierung vor notwendigen Fortentwicklungen gedrückt, wo sie nur konnte, man denke nur an ihre zähen Kämpfe gegen den Katalysator und den Dieselpartikelfilter. Auch die deutschen Autohersteller produzieren zu einem viel zu großen Anteil schwere Modelle mit hohem Spritverbrauch. Aber im Argen liegt es auch bei den kleineren Modellen: Der neue Golf VI wird noch immer mit einem 1,6 l-Benzinmotor ausgeliefert, der bestenfalls vor 10 Jahren noch dem Stand der Technik entsprach und – gemessen an seiner Leistung – Unmengen von Schwefeldioxid in die Luft bläst.
Unsere Politiker sind eben allzu sehr damit beschäftigt, sich ihren eigenen Interessen zu widmen und ebenfalls der Schimäre Geld nachzulaufen. Wie sprach doch der bayerische Noch-Ministerpräsident vor einigen Tagen in seltener Offenheit über die Koalitionsverhandlungen der CSU mit der FDP: Derzeit werde nur über Sachfragen verhandelt, und die wichtigste Sachfrage bestehe bekanntlich darin, wer in der neuen bayerischen Regierung was werde……
Mögen zahllose Menschen auf der Erde nicht wissen, woher das tägliche Essen nehmen, mag die Kinderarmut in Deutschland weit stärker angestiegen sein als in allen anderen Industriestaaten, mögen die deutschen Autos noch so viel Dreck verbreiten, mag der für unser Klima unerlässliche tropische Regenwald weiter vernichtet werden wie bisher, die herrschenden Cliquen im Finanzwesen und in der Politik kümmert es nicht.
Und wir? Sind wir gestählt für die kommenden Ereignisse, die Energiekrise und die Klimakatastrophe? Die Antwort ist ein leises „Ja!“. Nichts ist für den deutschen Michel dramatischer als die befürchtete finanzielle Notlage, die einträte, wenn das Ersparte dahin wäre. Die Geschichte von dem Todkranken, der auf dem Sterbebett äußert, zum Glück sei er immerhin finanziell gesund, spricht Bände über die deutsche Befindlichkeit. Schlimmeres als die Bedrohung durch die Finanzkrise kann uns daher bis auf weiteres kaum ereilen.
Die andauernden Erhöhungen der Gas- und Strompreise ruinieren die Bevölkerung nur langsam, was ihren Schrecken zumindest vorübergehend einigermaßen erträglich erscheinen lässt. Nichts anderes gilt für die gewaltigen Erhöhungen der Lebensmittelpreise, die fraglos noch auf uns zukommen. Der deutsche Markt ist durch eine zunehmende Konzentration der Anbieter gekennzeichnet, und es ist eine Frage der Zeit, bis nur noch wenige von ihnen vorhanden sein und die Preise explodieren lassen werden. Das Kartellrecht und die Kartellbehörden sind den Oligopolen nun einmal nicht gewachsen. Andernfalls könnten trotz des dramatischen Verfalls des Ölpreises in den letzten Monaten die Mineralölkonzerne ihre hohen Preise nicht noch immer auf schwindelerregender Höhe halten, und die Gasversorger ihre ohnehin räuberischen Preise nicht wie geplant schon wieder anheben. Auch die Folgen der Klimakatastrophe werden uns nur sukzessive treffen.
Ob die Finanzkrise überwunden wird oder nicht: Es ist dringend Zeit, den Raubtierkapitalismus in enge Käfige zu verbannen und der deutschen Politikerkaste durch bundesweite Demonstrationen unmissverständlich klarzumachen, dass die Bevölkerung ihre egomanischen und verantwortungslosen Vorgehensweisen nicht länger hinzunehmen bereit ist. Gleichzeitig sollte eine neue Partei mit überzeugendem Programm und Personal gegründet werden. Sie kann trotz der in das politische System inzwischen eingebauten Hindernisse gegen den Erfolg neuer Parteien schnell erfolgreich sein. Dem Deutschen sind Revolutionen ein Greuel, aber das Wählen hat er immerhin gelernt.