Krisen und kein Ende

21. Oktober 2008 | Von | Kategorie: Teleskop

Ist  der Gipfel der Finanzkrise bereits überschritten,  und haben wir  einfachen Tölpel die  Talsohle der Gefahr  bereits hinter uns? Dürfen wir, nachdem die   Krater in der Spielwiese  unfähiger Bankmanager und  Aufseher  nunmehr mit unseren Steuern gefüllt werden,  also nun hoffen, dass unsere  Ersparnisse wieder gesichert sind und die ach so großartigen  Finanzkapitäne inzwischen begriffen haben, was sie  schon in der Volksschule gelernt haben könnten? Dass  alles andere als  nachhaltig  und verantwortungslos handelt, wer zwecks kurzfristiger Ertragsteigerung  in Schrott investiert,  langfristig zu festen Zinssätzen ausleiht, was  kurzfristig refinanziert werden  muss, und arglose Kunden  systematisch über den Tisch zieht, wie dies  bei allerlei Zertifikaten und bei den  Zins-Swap-Geschäften der Deutschen Bank AG und der Dresdner Bank geschehen ist?  

 Sicher nicht. An den Börsen wird bereits wieder gezockt, als sei nichts geschehen, und  auch die  Ackermann´sche Arroganz macht sich wieder unangenehm bemerkbar.  Der Mensch war ja monatelang nicht wiederzuerkennen, wirkte fast sympathisch! Aber das täuschte eben: Die bedenkenlosen Großverdiener pflegen seit jeher,  all die zu verachten, die nur wenig zusammenraffen. Dass ihre eigenen, giftigen Blüten  nur auf dem Humus der Menschenfreundlichkeit anderer wachsen  können, weil kein auf  allgemeiner Raffgier  aufgebautes Sozialgefüge funktionieren würde, verdrängen diese gesellschaftlichen Trittbrettfahrer dabei nach Kräften. Aber zumindest im Unterbewusstsein spüren sie es; Arroganz weist noch allemal zuverlässig auf Schwächegefühle hin.

Aber sie  blüht, wenn auch bei anderen Managern  als Ackermann vorerst   im Stillen –  bis sich der Sturm gelegt hat.  Wie nicht anders zu erwarten,  ertönt jedoch   aus dem Kreis der   Pleitegeier schon  erstes Murren über  die finanziellen  Beschränkungen, die ihnen  nun  auferlegt werden sollen, bevor die  Hilfen der Steuerzahler überhaupt in Anspruch genommen sind. Es gehört nicht viel Phantasie zu der Vorstellung, dass diese Schranken als angeblich wirtschaftlich kontraproduktiv und Arbeitsplätze gefährdend schon bald wieder  fallen werden, und das Schiff der internationalen Finanzjongleure  unbeirrt Kurs auf die  nächste Spekulationsblase nehmen  wird, die vermutlich eine Rohstoffblase sein wird. Dass auch diese  Spekulationen wieder von Anfang an auf dem Rücken der so genannten einfachen Leute ausgetragen werden, versteht sich ohnehin. Irgendwer muss die Milliarden ja zur Verfügung stellen, die von den  selbsternannten wenigen Auserwählten verdient werden sollen. 

Es ist noch nicht lange her, da wurden die Mitarbeiter der Banken vom Volksmund ehrfürchtig  „Bankbeamte“  genannt, und eine „Beraterbank“ hätte diese  Bezeichnung noch verdient. Ungeheuer schnell  hat die Seuche der Gier  vieles von dem   dahingerafft, was eine menschenwürdige Gesellschaft braucht wie die Luft zum Atmen – und dabei bedenkenlos  Vertrauen ausgebeutet, das zum Glück in weiten Teilen der Bevölkerungen in den  modernen Industriestaaten noch heute für das menschliche Miteinander charakteristisch ist.

Derlei Maßstäbe aber kümmern auch unsere Politiker wenig,  die sich zurzeit in peinlicher Weise ob ihres Managements der Finanzkrise rühmen, obwohl sie dabei doch nur mit dem Geld der Steuerzahler um sich geworfen haben,   und die   ihre Aufgaben  in ach so vielen anderen Bereichen seit langem  chronisch vernachlässigen.  Dass die Menschen in Deutschland noch immer brutal  von den Oligopolen der Mineralölkonzerne und der sonstigen Energielieferanten (Strom, Erdgas) ausgebeutet werden –  es lässt unsere  politische Kaste ebenso kalt wie untätig, obwohl sie selbst durch die unsinnigen Privatisierungen gerüttelt Verantwortung dafür trägt. Und sie lernt, wie die bevorstehende Privatisierung auch der Bahn zeigt, buchstäblich nichts dazu. Nichts anders agieren unsere Politiker angesichts der uns bevorstehenden Krisen, der  Energiekrise und der Klimakatastrophe, die noch weit schlimmer sein werden  als die Finanzkrise. Der Verkündung ehrgeiziger Ziele durch die Politik  folgt –  unter dem Einfluss der jeweiligen Lobby –  kurz darauf unweigerlich der faule Kompromiss.  

Durch diese Förderung  kurzfristiger Profitgier  wurden bereits zahlreiche   Innovationen  verhindert, die   für die deutsche Wirtschaft im globalen Existenzkampf wertvoll gewesen wären. Die deutsche Autoindustrie schrammt daher heute nur knapp an der Katastrophe der amerikanischen vorbei. Auch sie hat  sich zugunsten kurzfristiger Profitmaximierung vor  notwendigen Fortentwicklungen gedrückt, wo sie nur konnte, man denke nur an ihre  zähen  Kämpfe  gegen den Katalysator und den Dieselpartikelfilter. Auch die deutschen Autohersteller  produzieren zu einem viel zu großen Anteil schwere  Modelle mit hohem Spritverbrauch. Aber im Argen liegt es auch bei den kleineren Modellen:  Der neue Golf VI   wird noch immer mit einem     1,6 l-Benzinmotor  ausgeliefert, der bestenfalls  vor 10  Jahren noch dem  Stand der Technik entsprach und –  gemessen an seiner Leistung –   Unmengen von Schwefeldioxid in die Luft bläst.     

Unsere Politiker sind eben allzu sehr damit beschäftigt, sich  ihren eigenen Interessen zu widmen  und ebenfalls  der Schimäre Geld nachzulaufen. Wie sprach doch der bayerische Noch-Ministerpräsident vor einigen Tagen in seltener Offenheit über die Koalitionsverhandlungen der CSU mit der FDP: Derzeit werde nur über Sachfragen verhandelt, und die wichtigste Sachfrage bestehe  bekanntlich darin, wer in der neuen bayerischen Regierung was werde…… 

Mögen zahllose  Menschen  auf der Erde nicht wissen, woher  das tägliche Essen nehmen, mag die Kinderarmut in Deutschland  weit stärker angestiegen sein als in allen anderen Industriestaaten, mögen die deutschen Autos noch so viel Dreck verbreiten, mag  der für unser Klima unerlässliche   tropische Regenwald weiter vernichtet werden wie bisher, die herrschenden Cliquen im Finanzwesen  und in der Politik kümmert es nicht. 

Und wir? Sind wir gestählt für die kommenden Ereignisse, die  Energiekrise und die Klimakatastrophe? Die Antwort ist ein leises „Ja!“. Nichts ist für den deutschen Michel  dramatischer als die befürchtete  finanzielle Notlage, die einträte, wenn das Ersparte dahin wäre.  Die Geschichte von dem Todkranken, der auf dem Sterbebett äußert, zum Glück sei er immerhin finanziell gesund, spricht Bände über die deutsche Befindlichkeit. Schlimmeres als die Bedrohung durch die  Finanzkrise kann uns daher bis auf weiteres kaum ereilen. 

Die andauernden Erhöhungen der Gas- und Strompreise ruinieren die Bevölkerung nur langsam,  was ihren Schrecken zumindest vorübergehend   einigermaßen erträglich erscheinen lässt.  Nichts anderes  gilt   für die  gewaltigen Erhöhungen der Lebensmittelpreise, die fraglos noch auf uns zukommen. Der deutsche Markt ist durch eine zunehmende Konzentration der Anbieter gekennzeichnet, und es ist eine Frage der Zeit, bis nur noch wenige von ihnen  vorhanden sein  und die  Preise explodieren lassen werden.   Das Kartellrecht und die Kartellbehörden sind  den Oligopolen   nun einmal nicht gewachsen.  Andernfalls könnten trotz des dramatischen Verfalls des Ölpreises in den letzten Monaten die Mineralölkonzerne ihre hohen Preise nicht noch immer auf schwindelerregender Höhe halten, und die Gasversorger ihre ohnehin räuberischen  Preise nicht wie geplant schon wieder anheben.  Auch die Folgen der Klimakatastrophe werden uns nur sukzessive treffen.

Ob die Finanzkrise überwunden wird oder nicht: Es ist dringend Zeit, den Raubtierkapitalismus in enge Käfige zu verbannen und der deutschen Politikerkaste durch bundesweite Demonstrationen unmissverständlich klarzumachen, dass die Bevölkerung ihre egomanischen und verantwortungslosen  Vorgehensweisen nicht länger hinzunehmen bereit ist. Gleichzeitig sollte eine neue Partei mit überzeugendem Programm und Personal gegründet werden. Sie kann   trotz der in das politische System inzwischen eingebauten Hindernisse gegen den Erfolg neuer Parteien schnell erfolgreich sein. Dem Deutschen sind Revolutionen ein Greuel, aber das Wählen  hat er immerhin gelernt.    

 

 

 

 

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Sie müssen eingeloggt sein, um einen Kommentar schreiben.