Nordseetouristen bauen im Sommer am Strand gern Sandburgen, die dann von der Flut über- und weggespült werden, ein Bild, das der Lage der Linken entspricht.
Ob man die Parteitagsbeschlüsse vom Ende des Monats Juni 2022 oder die nunmehrige „Leipziger Erklärung“ der Parteioberen liest: Die Linke hält unbeirrt an der Ablehnung von Rüstung, von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, von der NATO und von Waffenlieferungen an die Ukraine fest, obwohl Wladimir Putin durch seinen grausamen Krieg gegen die Ukraine seit Monaten wieder einmal demonstriert, dass Pazifismus edel, aber töricht ist.
Diese Haltung mag darin ihren Ursprung haben, dass zahlreiche, in der ehemaligen DDR aufgewachsene Parteimitglieder mit der Vorstellung Russlands (zuvor: der Sowjetunion) als großem, freundlichen Bruder sozialisiert wurden. Aber auf Verhandlungen mit dem blindwütigen Verbrecher in Moskau zu setzen und ihm so die Ukraine zum Fraß vorzuwerfen, ist nun einmal kein überzeugendes Konzept, zumal es Tür und Tor für weitere revisionistische Eroberungen vormaliger Sowjetstaaten durch Russland öffnen würde.
Ebenso zeigt sich die Linke unverändert unfähig, das Problem Sahra Wagenknecht zu lösen. Wie vor einer giftigen Cobra verharrt die Partei starr im Angesicht der Revoluzzerin, voller Furcht vor ihrem Austritt und der Gründung einer neuen linken Partei. Dabei ist diese Befürchtung doch wohl unberechtigt. Nach der Pleite mit ihrer „Sammlungsbewegung Aufstehen“ wird Wagenknecht diese Schritte kaum gehen. Sie dürfte vielmehr zumindest ahnen, dass auch das ins Auge gehen würde, da sie nun einmal ein Solitär ist, der keine Partei aufbauen und zusammenhalten kann. Ausschließen wird man sie kaum können, aber sie wird vermutlich früher oder später gehen, wenn sie keinerlei Führungsposition in der Partei mehr erhält, Lafontaine ist ja auch schon fort.
Auch fehlt es nach wie vor an einer charismatischen Führung der Partei Die Linke.. Gregor Gysi könnte es als Parteivorsitzender nochmals richten, aber er müsste dazu bereit sein und aufgrund seines Alters schnell einen jüngeren, überzeugenden Nachfolger aufbauen, der nicht in Sicht ist. Außerdem lehnt auch Gysi Waffenlieferungen an die Ukraine ab,- eine Haltung, die er bei seinem Auftritt in Bayreuth am 6. Januar soeben bekräftigt hat; er steht also zu wenig für eine konsequente programmatische Erneuerung seiner Partei.
Weder die Parteitagsbeschlüsse vom Juni noch die „Leipziger Erklärung“ enthalten nach allem irgendeinen Befreiungsschlag der Linken, woran die zweifache Betonung des „Pluralen“ der Partei in der genannten Erklärung nichts ändert. Denn in dem programmatische Chaos der Partei liegt ein Mangel, der Ausgangspunkt weiterer, die Wähler abstoßender Streitereien nach dem bewährten Motto „Zwei Linke, drei Meinungen“ sein wird.
Stattdessen sollte sich die Partei auf Drängendes wie die Bekämpfung der sozialen Ungleichheit, der Erderwärmung und damit des ökologisch ruinösen kapitalistischen Mantras ständigen Wirtschaftswachstums konzentrieren, zumal all das einen fundamentalen Systemwechsel zu einer erheblich verstärkten Steuerung der Wirtschaft durch den Staat bedingt – eine Einflussnahme, die zwar noch unbeliebt, aber seit jeher Anliegen der Linken ist und mittlerweile zukunftsweisend wäre.
Die Zeit läuft aber unerbittlich ab, in der Die Linke ihr Erscheinungsbild noch derart korrigieren kann, dass sie wieder 5 Prozent oder mehr der Wähler überzeugt. Es sieht nicht danach aus, dass ihr das gelingen wird. Eher wird die Flut des Kommenden ihre Sandburg auslöschen.