Den Versuch, die Mumie FDP wieder zu beleben, haben wir bereits vor einiger Zeit als sinnfrei bezeichnet (siehe den Beitrag vom 16. Januar 2016). Nachdem die CDU/CSU, die SPD und zunehmend auch die Grünen vom neoliberalen Bazillus infiziert die sogenannte „Mitte“ besetzt haben, sind die Räume, um den Fußballjargon zu bemühen, für primär wirtschaftshörige Parteizwerge schlicht zu eng geworden. Krampfhafte Profilierungsversuche des Christian Lindner wie der wenig verantwortliche Rückzug seiner Partei aus den Jamaika-Sondierungen sind die Folge.
In dieser Lage ist, Frank-Walter Steinmeier hat zart darauf hingewiesen, die SPD gefordert, ob ihr es passt oder nicht. Zwar ist es richtig, dass Angela Merkel als eine Art neuzeitlicher Vampir ihren Koalitionspartnern regelmäßig ans Blut geht, indem sie Leistungen des Koalitionspartners geschickt als zumindest auch eigene darstellt, und die SPD trotz einiger Taten mit sozialer Färbung nochmals Wähler verloren hat. Aber die bisherige Entscheidung, die große Koalition nicht fortzusetzen und stattdessen in der Opposition zu verharren, verkennt doch Entscheidendes. In ihrer derzeitigen, von der traditionellen Rolle als Sachwalterin der sozial Schwächeren entfernten programmatischen und personellen Aufstellung kann die SPD in der Opposition kaum überzeugend agieren. In der Regierung könnte sie dagegen Wichtiges immerhin ein wenig voranbringen wie die Eindämmung der prekären Arbeitsverhältnisse, insbesondere der wuchernden Leiharbeit, befristeten Arbeitsverträge und Werkverträge, die Verminderung der Belastungen der unteren und mittleren Einkommensschichten bei gleichzeitiger Aufhebung der Steuerprivilegien der Reichen, die Korrektur der unvertretbaren, Flüchtlingsströme verursachenden deutschen und europäischen Handelspolitik und die Reduzierung der Vergiftung des Grundwassers durch Gülle. Auch eine Änderung der unsäglichen Zustände in der industriellen deutschen Tierzucht wäre eine längst überfällige Tat. Die inzwischen komplett von der Wirtschaft dominierte CDU/CSU ist dazu allein nicht mehr willens und in der Lage. Und bei alledem könnte die SPD ihre Leistungen zukünftig besser präsentieren als in den letzten vier Jahren, Blockadehaltungen der CDU/CSU stärker bloßstellen und auch einmal einen Konflikt innerhalb der Koalition riskieren und mutig austragen. Angela Merkel wäre gewiss wieder zu allerlei Zugeständnissen bereit, zumal sie unbedingt noch einmal vier Jahre regieren will und sich ihr Dasein als Bundeskanzlerin im Übrigen dem Ende zuneigt. Derlei Aktivitäten wären im Sinne der Zurückgewinnung wenigstens eines Teils der verlorenen Wählergunst weit effektiver — und nicht zuletzt verantwortlicher — als bloßes oppositionelles Herummaulen.
Die Alternativen zu einer erneuten Großen Koalition bestehen in einer Minderheitsregierung mit Duldung der SPD, die der „alten Tante“ weit geringere Gestaltungsmöglichkeiten als in der Regierung vermitteln würde, oder in Neuwahlen, in denen es sicher nicht gut aussähe für die SPD — erst recht nicht mit Martin Schulz als Vorsitzendem (zu dessen heilloser Überforderung siehe bereits „Heiße Luft“ vom 11.02.2017 und „Big Wuersel“ vom 04.03.2017).
Es ist nach allem Zeit, dass die SPD ihre Verweigerungshaltung über Bord wirft und ihrer Verantwortung gerecht wird. Das „Wir“ aus der Werbung der SPD besteht nicht nur aus ihr und ihren Mitgliedern….