Echoräume

6. Januar 2025 | Von | Kategorie: Fotos, Mikroskop

Auf Seite 280 seines neuen, als Spiegel-Bestseller gerühmten Romans „Man kann auch in die Höhe fallen“ (Kiepenheuer & Witsch 2024, 358 Seiten, 26 Euro) bekennt Joachim Meyerhoff, er sei nie gut darin gewesen, für sich  „allein zu denken und zu dichten und dann fertige Geschichten als Kunstwerke in die Welt zu lassen.“ Seine Geschichten entstünden vielmehr in den „Echoräumen seiner Gegenüber, und seine Mutter sei stets  die ihm vertrauteste Zuhörerin“ gewesen. In „Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ waren es die Großeltern in München, nun ist es also die Mutter auf dem Lande bei Angeln, unweit von Schleswig und der Ostsee.

Nach einem frühen Schlaganfall und einem heftigen Ausraster gegenüber seinem Sohn in einer Lebenskrise, flieht der Mittfünfziger aus dem ungeliebten Berlin zu seiner 86-jährigen Erzeugerin und ihrem großen Grundstück nahe der Ostsee, wo er sich psychisch regeneriert und wieder schreibt. Dem widmet Meyerhoff den Großteil seines Buches, unterbrochen von Berichten  aus seiner Kindheit und aus seiner Karriere als Schauspieler.

Der Mutter schreibt er – gemessen an ihrem Alter –  dabei geradezu übermenschliche Kräfte und sonstige, durchgehend lebenskundige Fähigkeiten zu. Die Schilderungen aus seiner Frühzeit, etwa über Meyerhoffs erste, seitenlang fotografisch abgedruckte kindliche Schreibereien und seine Radfahrprüfung, geraten wenig inspiriert. Weit interessanter und humorvoller sind die vielfach gewährten Einblicke in die Schauspielerei an verschiedenen Bühnen und mit diversen Projekten.

Das Ganze ist insgesamt durchaus amüsant und kurzweilig, zumal Meyerhoff  zwar als Legastheniker begann, jedoch inzwischen mit umfänglichem Vokabular elegant schreibt. Denis Scheck, der grundsätzlich sie Spiegel-Bestsellerliste beanstandet hat, hat mit Kritik an Meyerhoffs neuem Roman gespart. Dies, obwohl das Buch primär um die geliebte Mutter und vor allem wieder einmal wenig kraftvoll um Meyerhoff selbst und seine labile Psyche kreist. Man wünscht sich vom Autor angesichts seiner feinsinnigen und  humorvollen Beobachtungsgabe unwillkürlich ein Buch, das seine Echoräume wesentlich erweitert.

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