Zu Beginn seiner Kanzlerschaft verkündete Olaf Scholz, wer bei ihm Führung bestelle, bekomme sie auch. Zwei Tage nach dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine verurteilte der Kanzler den Krieg, konstatierte eine Zeitenwende und versprach eine Investition von einhundert Milliarden Euro in die Bundeswehr sowie uneingeschränkt Waffenlieferungen an die Ukraine. Das klang vielversprechend.
Schnell stellte sich jedoch heraus, dass es mit der so demonstrierten Entschlossenheit des Olaf Scholz nicht weit her war. Vielmehr wand er sich, sobald es um die Lieferung der von der Ukraine dringend benötigten schweren Waffen ging. Zu Lasten des Ansehens bei der großen Mehrheit der NATO-Partner stellte Deutschland der Ukraine nur wenig solches Gerät zur Verfügung und auch das viel zu langsam – entgegen den Behauptungen des Kanzlers, alles sei mit den Partnern abgestimmt und Deutschland liefere (mit Ausnahme „vielleicht“ der USA) der Ukraine mehr Waffen als jedes andere Land. Ursache dieses peinlichen Taktierens war und ist, wie dem Kanzler seit jeher nur mühsam zu entlocken, seine übersteigerte Furcht, Wladimir Putin könne deutsche Lieferungen schweren Geräts zum Anlass nehmen, einen nuklearen Weltkrieg zu beginnen.
Auch einen Besuch der Ukraine verweigerte Olaf Scholz nach Kriegsbeginn lange, selbst dann noch, als der ursprüngliche Vorwand in Gestalt des diplomatisch ungeschickten Verhaltens der Ukraine gegenüber dem Bundespräsidenten entfallen war. Als Begründung diente dem Kanzler, er wolle sich nicht einreihen in diejenigen, die „für ein kurzes Rein und Raus mit einem Fototermin was machen.“ Bei einem Besuch müsse es vielmehr um „ganz konkrete Dinge gehen.“ Nun ist er – zusammen mit Emmanuel Macron, Mario Draghi und dem rumänischen Präsidenten Klaus Johannis – in die Ukraine gereist. Wer aber dachte, Olaf Scholz werde dabei sein ängstliches Zaudern endlich aufgeben und der Ukraine bezüglich der Lieferung etwa einer bemerkenswerten Zahl von Panzern Konkretes und Befriedigendes zusagen (und solche Zusagen prompt erfüllen), sah sich getäuscht.
Wieder duckte Scholz sich weg und befürwortete lediglich die Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt der Ukraine zur EU – angesichts der Uneinigkeit in der EU über Neuaufnahmen und der in jedem Fall vieljährigen Aufnahmeverhandlungen nur ein Trostpflästerchen, an dem die um ihre Existenz kämpfende Ukraine bei weitem nicht so interessiert sein kann wie an weiteren schweren Waffen, die über die von Scholz unlängst angekündigten Exemplare der Flugabwehr Iris-T deutlich hinausgehen. Diese erneut schwache Vorstellung reduzierte den Besuch des Kanzlers im Wesentlichen doch auf einen Fototermin, auf Symbolpolitik. Sie wirkte umso unbefriedigender, als Olaf Scholz inzwischen offenbar auch die Worte „schwere Waffen“ nicht mehr in den Mund nimmt und sich unverändert weigert, einen Sieg der Ukraine zu fordern. Seine Begründung dafür, nur die Ukraine könne darüber entscheiden, zu welchen Bedingungen sie zu einem Frieden bereit sei, erweckt den Eindruck, er werde eine endgültige russische Annexion der Krim und der östlichen sowie südöstlichen Gebiete der Ukraine akzeptieren, wenn dieser schließlich keine andere Wahl bleibt – ein fatales Signal an den Nimmersatt Putin.
Führung ist seit geraumer Zeit bestellt, das Gelieferte ist aber nicht überzeugend, wozu nebenbei auch die rhetorischen Schwächen des Olaf Scholz beitragen. Daran ändert nichts, dass der ukrainische Präsident Selenskij sich angesichts des für ihn erkennbar Unabänderlichen schlussendlich versöhnlich und dankbar zeigte.