Zu den Vorzügen des Alters gehört die aus Erfahrung gewonnene Erkenntnis, dass der Mensch ein hoffnungsloser Fall und der Untergang der Gattung nur eine Frage überschaubarer Zeit ist. Nachteilig erscheint dagegen, dass Bejahrte im Übrigen zur Verwirrung neigen, unter anderem in den Monaten März und Oktober, wenn aufgrund des Beginns oder des Endes der Sommerzeit die Uhren eine Stunde vor- oder zurückzustellen sind. Nicht jedem will diese Manipulation, über deren tieferen Sinn wir hier den Mantel gnädigen Schweigens ausbreiten, in gehörigem Maße gelingen, weshalb sich mancher faltige Zeitgenosse in den genannten Monaten gelegentlich verfrüht oder verspätet auf irgendeinen Weg macht.
So stellte der 71 Jahre alte ehemalige Buchhalter Otto P. aus München (Beruf, Name und Daten verändert) seine Armbanduhr nicht wie geboten in der Nacht vom 25. zum 26. März 2017, sondern bereits am frühen Morgen des 25. März um eine Stunde vor. Prompt fand er sich an jenem Tag zu einem verabredeten Abendessen eine geschlagene Stunde zu früh in einer Gaststätte ein. Dies erwies sich als nicht weiter schlimm, da P. von den braven Wirtsleuten schon kurz darauf taktvoll auf die wahren Gegebenheiten hingewiesen wurde und die aufgetretene Kluft durch einen Spaziergang überbrückte. Bemerkenswert ist jedoch, dass das Ereignis den Belehrten an einem alterstypischen Scheideweg hinterließ: Ein Pfad führt unmittelbar in die Depression, der zweite zur Gelassenheit und der dritte verspricht wundersame Höhen. P. wählte entschlossen den letzteren.
Bereits am nächsten Tag verkündete er unter eingehender Nutzung aller seinem hilfreichen Enkel bekannten Einrichtungen der „sozialen“ Netzwerke, es sei ihm – nach 71 in relativer Bedeutungslosigkeit verlebten Jahren – gelungen, nahezu 12 Stunden lang unbehelligt in der Zukunft zu leben und damit auch ohne Beanspruchung des Weltraum die von H.G. Wells bereits im Jahr 1895 propagierte Zeitmaschine Realität werden zu lassen. Vermittels seiner Erfindung habe er überdies epochale Einsichten gewonnen, die er der Menschheit demnächst zusammen mit den technischen Details seiner Entwicklung unentgeltlich zur Verfügung stellen wolle und werde. Entgegen dem unheilvollen neoliberalen Denken dürfe nicht alles in Geld bewertet und umgesetzt werden.
Es versteht sich, dass P. flugs weltweit Aufmerksamkeit, ja Berühmtheit, erlangte und danach in keiner Talkshow fehlte, obwohl oder gerade weil er es lange bei seinem Versprechen beließ und trotz drängender Fragen sensationdurstiger Medienvertreter und zahlreicher in- und ausländischer Geheimdienste keinerlei Einzelheiten seiner Entwicklung und Erkenntnisse preisgab. Den weiteren, schließlich doch in der Depression gelandeten Lebensweg des P. werden wir – aufgrund eines Wunsches des ebenfalls vor geraumer Zeit geborenen, verwirrten Verfassers dieser Zeilen, den größten Umfang der vorstehenden Absätze auch hier keinesfalls zu überschreiten – nicht näher beschreiben. Basta.