Millionen von Häusern in Deutschland sollen alsbald gedämmt und mit klimafreundlichen Heizungen ausgestattet werden, was aber so kostspielig ist, dass zahlreiche, unzureichend betuchte Eigentümer kleiner Einfamilienhäuser die Maßnahmen trotz der staatlichen Förderung nicht finanzieren können. Überdies leidet das Klima unter der weitgehenden Versiegelung der Erdoberfläche in den früh entwickelten Staaten. Die Lage wäre prekär, wenn nicht eine einfache, zugleich sozialer Harmonie dienende Lösung existierte, die in Schleswig-Holstein bereits realisiert wurde.
Nach den Grundsätzen der Geothermie wird Wärme unter erheblichem technischem Aufwand und Stromverbrauch aus unteren Regionen des Erdballs zur Erdoberfläche geleitet und genutzt. Die dabei entstehenden Kosten sind für finanziell Schwache vermeidbar, wenn sie stattdessen in warme Zonen des Erdinneren umgesiedelt werden, die Wärme also nicht zum Menschen transportiert, der Vorgang vielmehr genial umgekehrt wird.
Diese nach entsprechender Normgebung inzwischen testweise realisierte Idee basiert auf den von Jules Verne beschriebenen Forschungen des deutschen Geologen Professor Otto Lidenbrock. Der mutige Wissenschaftler begab sich bereits im 19. Jahrhundert mit seinem Team tief in das Erdinnere und entdeckte dort unter anderem zahlreiche geräumige Höhlen, fleischreiche Dinosaurier und Atemluft sowie Trinkwasser im Überfluss. Derart perfekte infrastrukturelle Voraussetzungen können mit relativ geringem Aufwand in unterirdische Wohnstätten für finanziell unzureichend Ausgerüstete, auch Nicht-Sesshafte und Geflüchtete, verwandelt werden – Heime, deren Lebensdauer die von geothermischen Wärmepumpen weit übersteigt.
Oberirdische Grundstücke der Bewohner werden im Wege des Tauschs gegen Höhlenwohnungen enteignet, und die darauf stehenden Häuser unter Renaturierung der Flächen abgerissen; diese Aktivitäten sind von hoher religiöser Qualität, da sie nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch dem Bruttosozialprodukt und damit dem Wirtschaftswachstum zugute kommen. Einwände der Hauseigentümer scheitern an weithin unbekannten Artikeln des deutschen Grundgesetzes, wonach Eigentum verpflichtet und Grund zum Zwecke der Vergesellschaftung enteignet werden kann.
Die Unterirdischen begeben sich über Treppen zu ihren beruflichen Aktivitäten auf der Erdoberfläche und kehren nach getaner Arbeit in ihre heizungslosen und dennoch jederzeit herrlich warmen, überdies gegen Stürme und Ähnliches geschützten Wohnungen zurück. Ihre Naturerlebnisse und sonstigen Freizeitaktivitäten werden zunächst durch Einrichtungen der virtual reality ersetzt, die dem genialen Zukunftsforscher George Orwell noch nicht bekannt sein konnten. Aber dabei wird es nicht bleiben: In München wird bekanntlich demnächst ein erster unterirdischer Konzertsaal entstehen.
Unser Foto zeigt ein Gelände unweit von Oberkleveez in Ostholstein, wo die Bewohner einer ehemaligen Siedlung mit bescheidenen Häusern aus den 50er Jahren schon unter der Erdoberfläche leben und ihre Anwesen renaturiert sind – ein eindrucksvoller Anblick.
Über die genannten Vorzüge hinaus hat das Konzept einen weiteren, nicht zu unterschätzenden sozialen Vorteil: Die Kontakte zwischen den Unterirdischen und den durchwegs äußerst sensiblen Superreichen, die so sehr unter dem Anblick finanziell Bedürftiger leiden, werden auf das unvermeidbare Minimum beschränkt.