Stephan Lessenich, Professor am Institut für Soziologie der LMU München, hat ein bemerkenswertes Buch mit dem Titel „Neben uns die Sintflut – Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis“ (Hanser, ca. 200 S., € 20) vorgelegt. Darin schildert er detailliert, wie der Westen in Fortsetzung des Kolonialismus früherer Zeiten fremde sachliche und personelle Ressourcen ausbeutet, die daraus folgenden Gewinne einstreicht, die Kosten und sonstigen Nachteile einschließlich der Umweltschäden aber auf die unterentwickelten Länder abschiebt – und deren Aufstieg vermittels der vorhandenen wirtschaftlichen und politischen Machtverhältnisse verhindert, bis hin zu weitgehenden Visumspflichten für Angehörige der Dritten Welt.
Der Westen wird daher weiter auf Kosten der Dritten Welt leben, und der weit größere Teil der Weltbevölkerung wird arm bleiben, solange der Westen seinen auf Verdrängung beruhenden Habitus nicht ändert. Dies, möchte man hinzufügen, ist umso weniger zu erwarten, als die etablierte westliche Politik sich zunehmend zum Erfüllungsgehilfen der Wirtschaft macht. Glücklicherweise verzichtet Lessenich denn auch auf die Formulierung eines Patentrezepts für die Lösung des Problems, da ein solches Rezept schlicht nicht existiert.
In den einschlägigen Bestsellerlisten taucht das Buch nicht auf, obwohl es bereits seit einigen Monaten auf dem Markt ist. Es gibt eben Erkenntnisse, die kaum jemand will. Dazu gehört die Tatsache, dass wir unseren Lebensstandard zu Lasten anderer aufgebaut haben und aufrechterhalten. Das Thema ist aber auch wirklich unangenehm. Da liest man lieber über Hirschhausens Wunder…