Selig die Zeiten, in denen uns das Sommerloch verwöhnte! Wochenlang legten die Krisen eine Pause ein, in der die Schalthebel der Macht immerhin in den westlichen Ländern kaum bedient wurden. So auch in Deutschland: Die leitenden Personen der jeweiligen Exekutive und Legislative verschwanden in den – nicht unterbrochenen – Ferien, und die Bevölkerung tat es ihnen gleich. Das chronische Getöse des homo sapiens wich einer wohltuenden Stille, in der Vogelgezwitscher sogar in den Großstädten wieder hörbar war. In diesem Jahr ist jedoch wieder einmal alles anders.
Der Krieg in der Ukraine tobt unverändert, unzählige unschuldige Menschen sterben dabei oder in der Dritten Welt an Hunger. Viren wüten fort, die Demokratie in den USA steht kurz vor dem Totalschaden, Sri Lanka ist in Aufruhr, die EU kümmert dahin, in Italien wankt Draghis Regierung und im südlichen Europa brennen die Wälder wie nie zuvor. Das Artensterben, etwa zu Lasten der Singvögel (Abb.: Buchfink), und die Abholzung der Regenwälder in Brasilien erreichen Rekorde. Auch sonst rücken taugliche Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe wieder einmal in die Ferne. In Deutschland verhindert die de facto von der FDP geführte Regierung einfachste Maßnahmen gegen den CO2 – Ausstoß wie eine Kerosinbesteuerung und eine allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkung auf den Autobahnen, und die andauernde Versiegelung von Flächen ist ungebrochen. Zugleich werden sinnfreie, extrem kostspielige Konferenzen der „Regierenden“ (G7, G20) zelebriert, die vor allem ihre nationalen Interessen verfolgen und im schrankenlosen Kapitalismus der Oligopole und der Finanzwirtschaft ohnehin nur wenig bewegen können. Die großen Erdölkonzerne setzen trotz wesentlich gesunkener Rohölkosten und Steuererleichterungen noch immer Phantasiepreise für Diesel und Benzin an den Tankstellen durch. Die fortdauernde Inflation macht die vielen Armen noch viel ärmer; nennenswerte Maßnahmen dagegen blockiert in Deutschland die FDP. Es drohen Engpässe bei der Wasser- und Gasversorgung. Die BASF hat deutsche Gasspeicher gegen eine Beteiligung an sibirischen Gasfeldern an die Russen verkitscht und rechtfertigt dies heute damit, sie sei als privates Unternehmen schließlich nicht zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben berufen, was wieder einmal den Unsinn der Privatisierung von Einrichtungen der Daseinsfürsorge beleuchtet. Die deutschen Wirtschaftsführer erheben wie selbstverständlich Einwände gegen die Priorität der Versorgung der privaten Haushalte mit Gas, wofür das Chamäleon Habeck prompt Verständnis zeigt. Und so weiter und so weiter, das Sommerloch ist gefüllt mit einem Gebirge von Ereignissen und Unvernunft.
Wie soll der Einzelne fern der Politik mit alledem umgehen? Hilfreich ist neben sinnreichem Tun für andere, die Unterstützung brauchen, der vieles überbrückende schwarze Humor, verbunden mit Gelassenheit und dem konsequenten Genuss eines jeden Tages. Noch ist die Natur ja selbst in dicht besiedelten Staaten wie Deutschland nicht ganz zerstört, noch bestäuben dort Bienen Obstbäume und singen Vögel ihr herrliches Lied. Und wer nostalgisch ein ganzes Orchester von Waldvögeln hören will, kann ja eine Zwitscherbox (siehe Boskop) erwerben – falls er das Geld dafür erübrigen kann.
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