Angesichts des Führungspersonals der SPD war von den Sondierungsgesprächen mit der CDU/CSU über eine weitere GroKo wenig zu erwarten. Dennoch überrascht, wie erbärmlich das Ergebnis ausgefallen ist.
Die Solidarrente und die Fixierung des Renteniveaus sind sinnvolle Vorhaben, die jedoch für die CDU/CSU kaum ein Entgegenkommen darstellen; auf die Gunst der ständig wachsenden Zahl bejahrter Wähler haben es alle zerzausten „Volksparteien“ abgesehen. Die Schwierigkeiten beginnen aber angesichts des demografischen Wandels bekanntlich bei der Finanzierung solcher Wohltaten. Darüber kann und wird in einer großen Koalition noch trefflich gestritten werden – bis zum absehbaren Scheitern des jeweiligen Projekts. Ähnliches gilt für die geplanten, vielerlei Auslegungen erlaubenden Maßnahmen in der Eurozone. Angela Merkel ist zwar bewusst, dass sie Emmanuel Macron nicht überall ins Leere laufen lassen kann, was aber keineswegs bedeutet, dass sie ihn und seine respektablen Vorhaben schließlich unterstützen wird. Und das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz erfüllt lediglich einmal mehr Forderungen der Wirtschaft.
Im Übrigen begnügte sich die SPD weitgehend mit selbstverständlichen, längst überfälligen Korrekturen eigener unsozialer Aktionen früherer Jahre. Dies gilt etwa für die Wiedereinführung der unter Gerhard Schröder abgeschafften paritätischen Finanzierung der Arbeitnehmer-Krankenkassenbeiträge und die Streichung der von Anfang an ungerechtfertigten, vor allem die Reichen entlastenden Abgeltungssteuer, die von der GroKo 2005- 2009 mit lebhafter Unterstützung des seinerzeitigen Finanzministers Peer Steinbrück (SPD) in die Welt gesetzt wurde.
Steuererhöhungen auf hohe Einkommen hat die SPD bei den Sondierungen nicht durchgesetzt, obwohl die finanzielle Ungleichheit im Lande immer fataler wird, der Soli, der im Wesentlichen nur die Wohlhabenden belastet, bis 2021 um 10 Milliarden abgeschmolzen werden soll und die angeblich vorgesehenen Rentenerhöhungen bzw. -stabilsierungen enorme Beträge verschlingen würden. Ebenso wenig sind genügende steuerliche Entlastungen der Geringverdiener und noch weniger des Mittelstands vorgesehen. Und die unlängst auch von der SPD gebilligte, skandalöse Befreiung der Erben großer Unternehmen von nennenswerten Schenkungs- und Erbschaftssteuern bleibt wie viel Anderes, das dringend einer fundamentalen Revision bedürfte (siehe „Gefordert: Die SPD“ vom 21. November 2017), völlig unbearbeitet.
Das Ergebnis dieser Sondierung ist kein Signal eines zukunftsweisenden Aufbruchs, sondern eines weiteren merkeltypischen Stillstands – nur das schwache Gemurmel verbrauchter Parteien, deren leitende Protagonisten kaum mehr im Sinn haben als die weitere Förderung ihrer Karrieren. Dass Angela Merkel zu mehr nicht bereit ist und primär weiterregieren will, war ebenso klar wie die chronische Umnachtung der CSU. Aber gerade deshalb hätte die SPD deutliche Zeichen setzen müssen. Sie hat es wieder nicht getan. Dies beanstandet der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert, ein klarer Kopf und ein großes politisches Talent, steht damit aber im Gegensatz zur derzeitigen SPD-Führung.
Lehnte der Parteitag am Wochenende die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen ab, würde dies eine personelle und programmatische Neuorientierung der SPD zur Folge haben müssen, für die sie derzeit noch alles andere als gerüstet ist; dies ist die Schwachstelle der Argumentation Kühnerts. Die daraus folgenden Turbulenzen werden der SPD allerdings erspart bleiben, da das Parteivolk den Weg zu Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU und später der Neuauflage der GroKo zweifellos ebnen wird; wieder wird das Parteivolk – murrend zwar, aber brav – den Wünschen der Führungsriege einschließlich der (Neuwahlen fürchtenden) Bundestagsabgeordneten mehrheitlich entsprechen. Die Hoffnung aber, die SPD werde ihre verlorenen Wähler so zurückgewinnen, ist illusionär: Mit dem vorhandenen Führungspersonal, das zu einer inhaltlichen Erneuerung der SPD weder bereit noch in der Lage ist, und dem durchweg das Charisma eines Willy Brandt fehlt, wird dies nicht gelingen. Der Niedergang der „alten Tante“ SPD ist bei weitem noch nicht abgeschlossen.