Während der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre stürzten sich die Banker reihenweise von den Dächern. In der derzeitigen Finanzkrise hat bisher nur einer das Leben gelassen: Der ehemalige britische Multimillionär Kirk Stephenson (47) warf sich in England vor einen Zug, nachdem er bei einer Beteiligung an der schweizerischen UBS rund 250 Millionen Euro verloren hatte.
Allen, die in New York mit dem Transparent „Jump, Fuckers!“ spazieren gingen, bleibt zwar Hoffnung, da die Keditkartenkrise uns noch bevorsteht und der Rezessionsdrache weltweit Feuer speit. Aber diese Hoffnung ist gering. Es springen allenfalls Unternehmer, die sich verantwortlich fühlen, wie es offenbar bei Kirk Stephenson der Fall war. Die gegenwärtige Finanzszene aber wird von Managern bestimmt, die im Sinne ihrer eigenen, kurzfristigen monetären Interessen mit fremdem Geld hantieren, und wer verantwortungslos handelt, hat nun einmal ein gestörtes Verhältnis zur Verantwortung, weshalb er sich auch nicht zu derselben ziehen lassen mag, wenn die Katastrophe da ist. Wer außer dem Chef der Commerzbank hätte auch nur sein Bedauern über die von ihm verursachten, gigantischen Schäden zum Ausdruck gebracht? Ganz im Gegenteil:
Die Chefs der deutschen Großbanken haben im Jahr 2007, nachdem sie alle Ursachen für die Finanzkrise gesetzt hatten und allenfalls das ganze Ausmaß des Desasters noch unbekannt war, ungerührt die Liste der deutschen Spitzenverdiener angeführt, ja ihre Bezüge wurden sogar noch erheblich gesteigert. Nach einer im Bundesanzeiger unlängst veröffentlichten Untersuchung verdienten die Vorstandsvorsitzenden 2007 durchschnittlich 4,56 Millionen Euro, sage und schreibe 19 % mehr als im Vorjahr! Knapp dahinter liegen die Bosse der Versicherungswirtschaft. Unter solchen Bedingungen kann man gewisse Verluste im Bereich der eigenen Kapitalanlagen schon mal wegstecken. Man wird geschüttelt, aber beileibe nicht ruiniert wie die Rentnerin, die von ihrer Hausbank im Rahmen der „Anlageberatung“ mit Zertifikaten über den Tisch gezogen wurde, alles verloren hat und nun pleite und wehrlos ist.
Die Folgen der Finanzkrise für die Allgemeinheit werden seit jeher ungerührt dem Steuerzahler überlassen. Die Manager ducken sich bestenfalls, bis der Sturm vorbei ist und die braven – in ihren Augen zweifellos: dummen – Politiker und Steuerzahler die verwüstete Bühne wieder hergerichtet haben. Und dann wird wieder mit den riskanten Bällen jongliert, getreu dem Motto: Die guten ins (Tantieme-) Kröpfchen und die schlechten ins (Steuerzahler-)Töpfchen.
Nicht wenige von ihnen aber haben sich nicht einmal geduckt: Die Deutsche Bank hat ihre Renditeziele, die auf nachhaltige, verantwortungsvolle Weise nun einmal nicht erreicht werden können, durchaus nicht aufgegeben; ihre Kunden sollten sich zukünftige Anlageempfehlungen dieses Hauses daher mit gesundem Misstrauen ansehen. Und noch wenige Tage, bevor der Zusammenbruch der isländischen Kaupthing-Bank öffentlich wurde, haben deren Manager mit großen Anzeigen und dem Versprechen hoher Festgeldzinsen das Kapital ahnungsloser deutscher Anleger eingesammelt. Eingehungsbetrug nennt der Jurist so etwas. Es wäre interessant, auch die vergleichbaren Geldaufnahmen deutscher Banken wie der Commerzbank und der Deutschen Bank im Hinblick auf Betrugstatbestände zu überprüfen.
Aber in unserem „Rechtsstaat“ wird das niemand tun, und die neuzeitlichen Verursacher der Krisen der Märkte werden auch nicht springen. Sie werden sich – als Trittbrettfahrer des sozialen Verhaltens der Mehrheit – weiter und nun erst recht wie Raubtiere aufführen, die niemand zur Strecke bringt wie beispielsweise einen Hecht, ja schlimmer noch: Ein Hecht frisst nur, was er für seine Ernährung benötigt. Der verantwortungslose Finanzjongleur dagegen ist unersättlich, solange es andere gibt, die noch mehr haben als er, oder er aus anderen Gründen seinem Selbstwert nicht traut. Die Arroganz, die mancher Finanzakrobat noch immer zelebriert, ist nicht mehr als Ausdruck innerer Schwächegefühle.
Nun ist Raffgier zum Schaden anderer, die auch vor strafbarem Verhalten nicht halt macht, keine Erfindung unserer Zeit, es hat sie immer gegeben. Das eigentlich Skandalöse an unserer Finanzkrise liegt darin, dass die unvorstellbar hohe Summen erfordernde Reparatur ungeniert den Steuerzahlern aufgebrummt wird, die Vernichter des Volksvermögens aber, die vermittels ihrer Fehlleistungen zugleich sagenhafte Reichtümer in die eigene Scheune gefahren haben, wieder einmal zivil- und strafrechtlich ungeschoren davonkommen werden. Und selbst wenn einer von ihnen mal strafrechtlich verfolgt wird, kommt er regelmäßig mit einem faulen „deal“ billig davon, während bereits geringfügige Delikte kleiner Leute harte Strafen zur Folge haben.
So entsteht mehr und mehr der Eindruck, als existiere „da oben“ in Wirtschaft und Politik eine große, dicht verfilzte Gemeinschaft, in der achselzuckend wechselseitig allerlei Unrecht toleriert wird; man selbst nimmt es ja auch nicht so genau, beispielsweise die Politiker im Rahmen der Finanzierung aller (!) Parteien, nachzulesen bis zum Ekel etwa in von Arnims „Deutschlandakte“.
Es wäre höchste Zeit, die Staatsanwaltschaft aus dem Gefängnis ihrer politischen Weisungsgebundenheit zu befreien und auch die Berufung der Richter, nicht zuletzt der des Bundesverfassungsgerichts, den Politikern zu entziehen. Das sich hier aufdrängende technische Problem, wie man sich mit derlei im Internet geäußerten Forderungen die Toilette tapeziert, ist derzeit noch ungeklärt.