Nach Presseberichten arbeiten Astronomen in verschiedenen Teilen der Welt an Riesenteleskopen, die noch wesentlich größer und leistungsfähiger sind als das „Very Large Telescope“ (VLT), das von der Europäischen Südsternwarte (ESA) im Jahr 1998 in den chilenischen Anden in Betrieb genommen wurde. Das VLT besteht aus vier Einzelteleskopen mit Hauptspiegeln, die einen Durchmesser von je 8 Metern haben. Die ESA plant nunmehr ein „Extremely Large Telescope“ (ELT) mit einem aus 900 sechseckigen Segmenten zusammengesetzten 42-Meter-Hauptspiegel, das ein Gebäude mit einer Höhe von 50 Metern und einer Länge von 75 Metern benötigen wird. Zahllose Wissenschaftler arbeiten an der Bewältigung der mit dieser Entwicklung verbundenen technischen Probleme. Institute und Astronomen in den USA, Kanada und Australien sind mit der Entwicklung ähnlich ambitionierter Fernrohre beschäftigt. Ziele der Entwicklung solcher Mammutteleskope sind vor allem die Entdeckung extrasolarer Planeten und die Antwort auf die Frage, wie die ersten Galaxien, die Vorfahren unserer Milchstraße, entstanden sind, wobei offenbar gewaltige schwarze Löcher eine wesentliche Rolle gespielt haben.
Nichts liegt uns ferner, als über derlei Aktivitäten zu spotten; seit der so genannten Aufklärung forscht die Wissenschaft nun einmal, was das Zeug hält, und der Wunsch nach immer besserem Weitblick und gesteigerten Erkenntnissen verlangt eben immer größere Teleskope. Anzumerken wäre allerdings, dass der Mensch in seinem chronischen Bestreben, in die Ferne zu schweifen, das ach so nahe liegende Gute allzu oft übersieht.
Dies gilt in Deutschland etwa für herrliche Urlaubslandschaften wie die Holsteinische Schweiz, an der die vielen Sylt-Besucher typischerweise achtlos vorbeifahren, aber auch für die eher miskroskopische Betrachtung der Details der uns umgebenden Welten. Wer extrasolare Planeten zu entdecken sucht, sollte vorher, um nur zwei Beispiele zu nennen, die Schale und das Innere der auf seinem Tisch liegenden Walnuss und das Gehäuse der Weinbergschnecke im Garten eingehend betrachtet haben. Sie glauben, dies getan zu haben? Dann versuchen Sie einmal, die Walnuss oder das Gehäuse zu zeichnen. Falls Sie nicht zufällig im Zeichnen geübt sind, werden Sie schnell scheitern – nicht so sehr, weil das Abbild des jeweiligen Objektes so schwer herzustellen wäre, sondern weil Sie sich die Struktur der Nussschale bzw. den Verlauf der Gehäusegänge wie so viele andere Herrlichkeiten der uns umgebenden Natur nie gründlich angesehen haben.
Nicht besser verhält es sich mit der Betrachtung innerer Vorgänge von Lebewesen, insbesondere Menschen. Das Herz, mit dem man nach Antoine de Saint-Exupery so gut sieht, ist bei allzu wenigen darin geübt, sich selbst und den anderen zu erkennen und anzuerkennen. Würde der Mensch besser lernen, sich und seinen Nächsten zu lieben – und zu fühlen, dass er in Übereinstimmung mit seiner sozialen Bedingtheit wichtiger Teil einer Gemeinschaft aller ist, gäbe es in der Welt weniger schwarze Löcher, die Menschen sich und ihren Mitmenschen graben. Allerdings wäre die Entwicklung von Riesenteleskopen in diesem Fall vermutlich weniger fortgeschritten…