Am Ende eines ohnehin feuchten Sommers wurde Kurt Beck zumindest durch die Art seiner Demontage als SPD-Vorsitzender im Regen stehen gelassen – nach den Bekundungen des Frank-Walter Steinmeier nicht durch einen Putsch, sondern eher aufgrund eines Versehens. Glaube das, wer will.
Inzwischen hat der glücklose ehemalige SPD-Chef politisch die Rückreise nach Rheinland-Pfalz angetreten, und im dortigen Biotop ist er tatsächlich besser aufgehoben als im „Wolfsrudel“ (so Beck) der Bundespartei. Die Freude der rheinland-pfälzischen SPD über die Rückbesinnung des Kurt Beck auf sein Mainzer Tätigkeitsfeld („Beck to the roots!“) ist denn auch groß, zumal nur er ein passables Wahlergebnis der SPD bei der nächsten Landtagswahl garantiert.
Dass die SPD mit dem neuen alten Parteivorsitzenden Müntefering und dem Kanzlerkandidaten Steinmeier besser bedient ist, mag man allerdings mit Fug bezweifeln. Immerhin stellte Beck – bei allem Ungeschick bezüglich dem Umgang mit der Linken – noch eine gewisse Brücke zwischen den Flügeln der SPD dar. Er stand für eine vorsichtige Rückbesinnung der SPD auf ihre – unter Gerhard Schröder und dem Tandem Schröder / Müntefering allzu sehr verdrängten – s o z i a l demokratischen Wurzeln. Diese Brücke ist nun wieder gesprengt.
Die vielfachen seitherigen Appelle der rechten SPD-Parteioberen gegenüber dem linken Parteiflügel, nun bis zur Bundestagswahl 2009 Geschlossenheit zu demonstrieren, enthalten wieder einmal unverhohlene Aufforderungen zum Betrug an den Wählern, der inzwischen offenbar zum selbstverständlichen Alltag aller Parteien gehört. Überdies erinnern sie fatal an die Aufforderungen des Gerhard Schröder vor den letzten zwei Bundestagswahlen – fatal, weil Volksparteien ihre Überzeugungskraft aus dem auch öffentlichen Diskurs und der Fähigkeit zu ausgewogenen Synthesen gewinnen. Wer die unterschiedlichen Auffassungen innerhalb einer Volkspartei deckeln will, produziert einen Topf, in dem es danach nur noch gärt und stinkt. Anders formuliert: Er verordnet eine Friedhofsruhe, die auch vom Wähler nicht belohnt wird, zumal die Leiche prompt von anderen, hier vor allem der Linken, gefleddert wird. Es kommt hinzu, dass der Deckel aufgrund der zunehmenden Zusammenarbeit der SPD mit der Linken in den Bundesländern (Frau Ypsilanti lässt grüßen) ohnehin nicht auf dem Topf bleiben wird, und die Argumente, mit denen die SPD-Parteirechten zu begründen suchen, dass sie auf Bundesebene mit der Linken nicht paktieren wollen, alles andere als überzeugend sind. Die Linke ist flexibel genug, die Programmpunkte fallen zu lassen, die eine Zusammenarbeit nach den derzeitigen Bekundungen der SPD-Oberen ausschließen. Und dann wird wieder umgefallen. Es bleibt ein Rätsel, warum die SPD angesichts des Phänomens der Linken nicht besonnener agiert.
Wann wird man im Vorstand der SPD endlich begreifen, dass der drohende Untergang der Partei in unserer Zeit eines sozial rücksichtslosen, globalisierten Kapitalismus, der weite Teile der deutschen Bevölkerung in die Armut zu treiben droht, nicht dadurch aufgehalten werden kann, dass man unter Vernachlässigung des linken Spektrums Wählern nachläuft, die primär von der CDU/CSU und der FDP bedient werden? Der Erfolg des Oskar Lafontaine ist wahrlich nicht nur eine Folge seiner populistischen Demagogie.
Will die SPD nicht weiter sukzessive zwischen rechts und links zerrieben werden, bedarf sie einer konsequenten Hinwendung zur großen Bevölkerungsgruppe der Benachteiligten des 21. Jahrhunderts und einer entsprechenden Auseinandersetzung mit rechts und links außen. Parteirechte wie Frank-Walter Steinmeier, Franz Müntefering und Peer Steinbrück und erst recht Gazprom-Gerhard, der nun ja wieder im Wahlkampf eingesetzt werden soll, sind dazu denkbar ungeeignet. Die Zeiten, in denen Schröders neoliberale Parolen bei der Masse der Wähler verfingen, sind aus mehreren Gründen vorbei. Und auch die Agenda 2010 ist zumindest teilweise diskreditiert, nachdem die Zahl der deutschen Arbeitsplätze zwar in den letzten Jahren gestiegen ist, zugleich aber immer mehr Beschäftigte nur befristet angestellt sind oder nur Teilzeitarbeit haben, jedenfalls aber unzureichend entlohnt werden.
Man sollte der alten Tante SPD eine Unzahl von Weckern in die Parteizentrale senden. Vielleicht wacht dort dann endlich jemand auf.