Die Wissenschaft wird nicht müde, uns mit Erkenntnissen zu versorgen, die niemand brauchen würde, wenn der Mensch ein anderer wäre.
Seit geraumer Zweit untersucht das Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummersdorf gemäß der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom 10. August 2021 anhand von 20 mühsam gefilterten Indikatoren das psychische Befinden der 25 Millionen Schweine, die jeweils in den deutschen Mastbetrieben eingepfercht sind.
Schnelle Bewegung des Schweins zu einer frisch beladenen Futterbox gilt als Ausdruck von – durch nichts gerechtfertigtem – Optimismus. Auch die zügige Annäherung an einen in der Schweinebucht auftauchenden Menschen wird als Zeichen seelischen Wohlbefindens gewertet, wenn das Schwein bei der Ankunft nur schnuppert, aber nicht – wie verständlich – zubeißt. Weitere Kriterien sind, ob die armen Kreaturen wie häufig unter geschwollenen Beingelenken leiden, was ihre Glücksgefühle naturgemäß beeinträchtigt, mehr noch das Schicksal, männlichen Geschlechts zu sein, da sie dann im Kampf gegen Ebergeruch ihres Fleischs kastriert (statt schonender geimpft) werden. Bedeutungsvoll soll auch Schwanzbeißen sein, wobei noch unentschieden ist, ob dieses bereits dann anzunehmen ist, wenn das geringelte Ende des Tieres nur angebissen, oder erst dann, wenn es teilweise oder ganz abgebissen ist. Aber auch sonst bleibt laut der Teamleiterin beim FBN Sandra Düpjan noch allerlei Wichtiges zu tun. Zitat aus der SZ: „Gerade was die kognitive und emotionale Ebene betrifft, gibt es …noch viel Forschungsbedarf“.
Kein Forschungsbedarf, wohl aber eine fatale kognitive und emotionale Ebene existiert hinsichtlich der Erzeuger des Schweinefleischs, die fühlende Lebewesen Jahr für Jahr um des schnellen Profits willen durch übles Traktieren (unter anderem Kastration, Kupieren und Kastenstand) quälen. Von den 60 Millionen jährlich in Deutschland geschlachteten Schweinen ist fast die Hälfte krank, und Millionen überleben die Haltebedingungen erst gar nicht. Nichts anderes gilt übrigens für die heutige Massenproduktion von Hühnern, die inzwischen nach kurzer Mastzeit so schwergewichtig sind, dass sie kaum noch stehen und gehen können.
Seit jeher ist es die ureigene Aufgabe der Politik, die Türen der Ställe für die armen Tiere zu öffnen und ihnen ein ohnehin arg kurzes, aber immerhin artgerechtes und gesundes Dasein auch im Freien zu ermöglichen, womit die genannten Forschungen sich erübrigen würden. Die damit einhergehende Verteuerung des Fleischs würde die Betuchten nicht treffen, ebenso wenig die Bedürftigen, wenn sie vom Staat finanziell so gestellt würden, dass sie sich Fleisch unverändert (zumindest gelegentlich, zu viel ist bekanntlich nicht gesund) leisten können.
Es ist nicht weniger als ein Skandal, dass all das auf Druck der wirtschaftshörigen CDU/CSU noch immer nicht geschehen ist. Dieser Skandal ist umso größer, als die Massenproduktion das hiesige Grundwasser verseucht, die gewaltigen deutschen Fleischexporte in arme Länder die dortigen Erzeuger ruinieren, und die zugehörigen deutschen Arbeitsplätze mit weithin prekärer Bezahlung kaum erhaltenswert sind.
Davon aber findet sich in der auch hier wieder einmal brav neoliberal navigierenden SZ kein Wort. Stattdessen stimmt sie wieder die ewige, den Manipulationstechniken der Wirtschaft entfleuchte Litanei von den ach so bösen Verbrauchern an: „Deutsche Verbraucher steuern bisher kaum gegen. Obwohl sich viele eine artgerechte Haltung wünschen, greifen die meisten doch zur Billigware.“
Tatsächlich aber trifft die Verbraucher die geringste Schuld am Fortbestand der Missstände. Wer sich nichts anderes leisten kann, muss zum Billigfleisch greifen, und wer es kann, darf angesichts der inzwischen weithin verwilderten Sitten in der Wirtschaft daran zweifeln, ob er nur einen höheren Preis für Fleisch zahlt, das in ebenso verantwortungsloser Weise produziert wurde wie die Billigware.
Ähnliches geschieht ja auf dem Textilmarkt: Die teuren Produkte werden nicht selten wie die preisgünstigen Jeans oder T-Shirts, deren Kauf den Verbrauchern immer wieder vorgeworfen wird, von kaum entlohnten Sklaven in Pakistan, Ägypten, Rumänien usw. hergestellt – eine spätkoloniale Ausbeutung, an der das unter dem Einfluss von Lobbyisten zur Karikatur geschrumpfte Lieferkettengesetz kaum etwas ändern wird.
Wer bei der bevorstehenden Bundestagswahl die CDU/CSU oder, mindestens ebenso verheerend, die FDP wählt, entscheidet sich für weiteres Tierleid.