Menschliche, nicht als Politiker tätige Wesen in einem Alter von 70 oder mehr Jahren sind den ihnen begegnenden Fährnissen nicht selten kaum noch gewachsen und bedürfen zwecks Meidung umfänglichen Scheiterns von Zeit zu Zeit eingehender Unterweisungen in Bezug auf die Bewältigung grundlegender, aber auch alltäglicher Probleme ihres Daseins.
Dieser Aufgabe widmen sich die folgenden Zeilen – ohne jeden Anspruch auf auch nur annähernde Vollständigkeit, erfassen sie doch lediglich einige wenige der Erkenntnisse, die dem gealterten homo sapiens ungeachtet des bedauernswerten Zustands, in dem er sich fraglos befindet, zumindest die Illusion eines noch einigermaßen gelingenden Lebens ermöglichen. Die hier ausgebreiteten Ratschläge sind umso werthaltiger, als sie keineswegs vom Baum theoretischer Erkenntnisse rühren, sondern auf wertvollen Erfahrungen des Autors fußen.
Beachten Sie beim morgendlichen Ankleiden unbedingt, dass das Überstülpen eines zugeknöpften Hemdes (analog: einer Bluse) sich nur dann als sinnreich erweist, wenn es im nachfolgenden Zustand relativer Blindheit sicher gelingt, innerhalb eines überschaubaren Zeitraums den obersten Knopf zu öffnen; es gibt durchaus Knopflöcher, die für derlei Bemühungen kein Verständnis haben. Auch ist das Penetrieren nur eines Hosenbeins von der Bettkante aus angesichts der mittlerweile eher eng geschnittenen Beinkleider kein zureichender Grund dafür, auch den für das andere Bein vorgesehenen Schuh bereits anzuziehen und zu verschnüren.
Bemerken Sie, nachdem Ihr typischerweise schmerzendes Gerüst aus Knochen, Sehnen, Fett und Muskelresten auf einer Bank an der Ostsee Platz genommen hat, einen jugendfrischen Windsurfer, der sein Brett bei starkem Wind spielerisch über die aufgepeitschten Wellen lenkt und elegante Halsen vollführt, weisen Sie jeden Gedanken daran entschieden von sich, das so auch (wieder) tun zu wollen. Denken Sie vielmehr ausschließlich an den nächsten guten Braten nebst Crémant de Loire und/oder Rotwein, der auf Sie wartet, oder freuen Sie sich schlicht darüber, dass Sie überhaupt noch irgendwie leben. Entsprechendes gilt für die Reaktion auf attraktive Jungfrauen respektive Jungmänner, die an Ihrer Bank vorbeigehen.
Apropos Halsen: Sollten Sie noch nicht resignierend auch Ihre Jolle verkauft oder verschrottet haben, beschränken Sie alle einschlägigen Aktivitäten auf Windstärken bis maximal 3 Beaufort. Bedenken Sie, dass Sie bei der Wende für das Umschichten Ihrer Physis zur erhofften neuen Luvseite anders als früher erhebliche Zeit brauchen und dabei naheliegenderweise irgendwann die Pinne fahren lassen, wodurch die Wende nur allzu leicht zu einer kreiselnden Halse gerät, die bei höheren Windstärken vermittels des frei schwingendem Baums Ihr Boot liebend gern kentern lässt. Und die Zeiten, in denen Sie dasselbe im freien Wasser wieder aufrichten konnten, sind nun einmal unwiderruflich vorbei.
Versuchen Sie wieder einmal vergeblich, sich an ein Wort oder einen Namen zu erinnern, warten Sie geduldig, ob Ihre beschädigten Synapsen es oder ihn wider Erwarten doch noch freigeben. Einstweilen machen Sie sich beruhigend klar, dass Ihnen auch früher schon allerlei entfallen ist. Bleibt die erwünschte Erinnerung hartnäckig aus, ist dies regelmäßig ohne erkennbaren Nachteil, da Sie im Zweifel inzwischen auch vergessen haben, woran Sie sich nicht erinnern. Machen Sie die Tatsache zu Ihrem Freund, dass Ihr Gedächtnis einschließlich Ihres Wortschatzes weiter schwindet, man kann immerhin auch vermittels der Hände und Füße kommunizieren, erinnern Sie sich nur an den Urlaub in…. (Zutreffendes bitte einfügen).
Haben Sie zum ersten Mal schwungvoll mit ihrem Kraftfahrzeug bei weit geöffneter hinterer Tür einen engen, mit Torpfosten versehenen Parkplatz rückwärts verlassen, glauben Sie nach der teuren Instandsetzung nicht etwa, so etwas könne und werde Ihnen nie wieder unterlaufen. Und erkennen Sie auf dem Parkplatz eines Supermarktes, den Sie mit Ihrem Fahrzeug aufgesucht haben, einen solide verankerten T-Träger mit dem Schild „Nur für Behinderte“, bedenken Sie, dass Sie zwar behindert, aber nicht aufgefordert sind, mit dem außerordentlich widerstandsfähigen Stahlgebilde intimere Bekanntschaft zu machen, geschweige denn, dabei unter nachhaltigem Einsatz Ihres Gasfußes eine gesamte Seite Ihres Fahrzeugs zu deformieren.
Legen Sie weite Wege auf deutschen Autobahnen zurück, versuchen Sie nicht herauszufinden, wie schnell Sie gerade fahren dürfen, da diese Befugnisse aufgrund des unermüdlichen Wirkens der jeweiligen Amtsträger einem ständigen Wandel unterliegen, der Ihre nur noch rudimentär vorhandenen kognitiven Fähigkeiten weit übersteigt. Nehmen Sie Verwarnungen, Anzeigen, zeitweilige Fahrverbote und den Entzug Ihres Führerscheins dankbar entgegen; schließlich wird Ihnen auf diese Weise ein Grad von Aufmerksamkeit zuteil, der im Allgemeinen nur noch selten in Erscheinung tritt.
Kurz: Handeln Sie in allen Bereichen einsichtig – und genießen Sie, was von Ihrem Leben übrig ist, zumal Sie entgegen aller Bestrebungen der tradierten Religionen, Abweichendes als glaubwürdig zu präsentieren, davon ausgehen müssen, auch jenseits kein weiteres ergattern zu können.