Krebs kann mit schweren psychischen Belastungen des oder der Betroffenen einhergehen. Das muss jedoch nicht sein. Die buddhistische Psychologie und die späte Stoa halten ein außerordentlich hilfreiches Rezept bereit, dessen Anwendung allerdings ein gewisses mentales Training voraussetzt.
In seinem „Handbüchlein der Moral“ schrieb Epiktet (ca. 50 – 138 n. Chr.):
„Von den Dingen stehen die einen in unserer Gewalt, die andern nicht. In unserer Gewalt steht unser Denken, unser Tun, unser Begehren, unsere Abneigung, kurz: alles, was von uns selber kommt. Nicht in unserer Gewalt steht unser Leib, unsere Habe, unser Ansehen, unsere äußere Stellung – mit einem Wort, alles was nicht von uns selber kommt.
Was in unserer Gewalt steht, ist von Natur frei, es kann nicht gehindert und nicht gehemmt werden. Was nicht in unserer Gewalt steht, ist anfällig, abhängig, steht in fremder Hand und kann gehindert werden.
Sei Dir also bewusst: Hältst Du für frei, was seiner Natur nach unfrei ist, und für Dein eigen, was fremd ist, so wirst Du viele Schwierigkeiten haben, Aufregung und Trauer, und wirst mit Gott und den Menschen hadern. Hältst Du aber nur das Deine für Dein eigen und Fremdes für das, was es ist: fremd, so wird nie jemand Dich zwingen, nie jemand Dich hindern, Du wirst nie jemand Vorwürfe machen, nie jemand schelten, nie etwas wider Willen tun. Niemand wird Dir schaden, Du wirst keinen Feind haben; denn nichts Schädliches trifft Dich.“
Noch eindringlicher sind diese – bereits am 30. September 2018 im „Mikroskop“ zitierten – Ausführungen des Epiktet:
„Es sind nicht die Dinge, die uns beeinträchtigen, sondern die Vorstellungen und Meinungen von den Dingen. …. Nicht Tod und Elend sind furchterregend, sondern die Furcht vor Tod und Elend. …. Verlange nicht, dass das, was geschieht, so geschieht, wie Du es wünschst, sondern wünsche, dass es so geschieht, wie es geschieht, und Dein Leben wird heiter dahinströmen.“
Heiterkeit mag hier allzu viel verlangt sein, aber es schafft bereits erhebliche Erleichterung, im buddhistischen Sinne gelassen hinzunehmen, was nun einmal ist, ohne sich an das Leben zu klammern, das uns ja ohnehin nur für eine kurze Zeit gegeben ist. Loslassen nennt der Buddhismus das. In Hirschhausens Fernsehbeitrag über seinen Besuch in einer Palliativeinrichtung berichtete eine Ärztin denn auch, Buddhisten falle es vergleichsweise leicht, zu gehen.
Nimmt man die Fortschritte der Medizin bei der Bekämpfung des Krebses und die immer wieder auch auftretenden positiven Verläufe der Krankheit hinzu, so zeigt sich umso mehr, wie unsinnig Ängste und Verzweiflung sind. Dies erst recht, weil diese negativen Emotionen die Freude an der – allein realen – Gegenwart ausschließen und eine nachdrückliche Erinnerung an die Endlichkeit des Daseins die nicht zu überschätzende Möglichkeit bietet, bewusster und sinnvoller zu leben als zuvor. Und sinnvoll ist für den Menschen als soziales Wesen vor allem die allumfassende (und tätige) Liebe gegenüber allem Lebendigen.